Die Lebensbereiche der Stauden

Richard Hansen* und Friedrich Stahl* entwickelten in den 1970er-Jahren ein Konzept, den Garten in verschiedene Lebensbereiche einzuteilen und jeweils standortgerechte und dadurch pflegeleichte Pflanzungen zu entwickeln. Der Grundgedanke: Stauden gedeihen besser, leben länger und brauchen weniger Pflege, wenn sie an einem Platz wachsen, an dem sie sich besonders wohlfühlen. Weiterentwickelt wurde das Konzept von Prof. Dr. Josef Sieber*, durch den auch die Abkürzungen geläufig wurden.

Nach diesem Prinzip wird der Garten in sieben Lebensbereiche eingeteilt

I Gehölz (G)
II Gehölzrand (GR)
III Freifläche (Fr)
IV Steinanlagen (ST)
V Beet (B)
VI Wasserrand (WR)
VII Wasser (W)

Um den unterschiedlichen Standortverhältnissen wie Licht und Bodenfeuchtigkeit Rechnung zu tragen, erfolgt noch eine weitere Unterteilung. Diese ergibt beispielsweise die Lebensbereiche "Gehölzrand, trockener Boden" (GR1), "Beet, frischer Boden" (B2) oder "Wasser, Schwimmblattpflanzen" (W2). In Katalogen und Artikeln finden sich gelegentlich nur die Abkürzungen.

Staudenbeet mit Prachtscharte, Taglilien und Kugelsdistel
Prachtscharte, Schafgarbe und Kugeldistel im Staudenbeet, Foto: Katharina Adams

Pflegeleichte Beetbepflanzungen

Hansen verglich diese Bereiche mit natürlichen Biotopen und Pflanzengesellschaften, Er stellte fest, dass es für jeden Gartenbereich ein natürliches Pendant gibt. An einem Gewässer in der Natur wachsen dieselben Pflanzen wie rund um den Gartenteich. Anhand von Artengemeinschaften, wie sie in Feld und Wald vorkommen, entwickelte Hansen nun Gartenpflanzenkombinationen, die sich wie ihre natürlichen Verwandten über Jahre selbst erhalten. Diese müssen kaum oder gar nicht gepflegt werden und sind wirklich dauerhaft.

Das war eine Revolution zu einer Zeit, in der Beetbepflanzungen jedes Jahr aufwendig aus ein- oder kurzlebigen Sommerblumen und Beetpflanzen aufgepflanzt wurden. Das Besondere an den Pflanzengemeinschaften war, dass sie von Natur aus auch optisch harmonierten und perfekt zusammen passten. Im Laufe der Zeit wurde das Konzept verfeinert und gärtnerisch weiterentwickelt, schließlich wollte man ja nicht nur einheimische Wildkräuter, sondern überdies prächtige Stauden im Garten kultivieren.

Staudenpflanzungen nach diesem Konzept sind heute internationaler Standard und gelten als Inbegriff des »New German Style«. Wie dauerhaft sie sind, zeigen die Anlagen im Münchner Westpark von Rosemarie Weisse, auf dem Stuttgarter Killesberg von Urs Walser, im Weinheimer Hermannshof von Cassian Schmidt oder die berühmten Kiesgärten von Beth Chatto in Essex. Sie bestehen zum Teil schon seit fast 40 Jahren.

Staudenpflanzung am Killesberg, Stuttgart
Staudenpflanzung am Killesberg, Stuttgart, Foto: Martin Staffler

Da in der Natur fast jeder Lebensraum von Pflanzen besiedelt ist, heißt das auch, dass jeder Garten attraktiv und pflegeleicht angelegt werden kann, wenn man aus der Fülle des Sortiments die richtigen Gewächse auswählt.

Was ursprünglich nur für Stauden gedacht war, gilt natürlich auch für alle anderen Gartenpflanzen.
 

Spezialisten und Alleskönner

Neben Spezialisten, die sich nur in einem bestimmten Lebensbereich wohlfühlen und nur gedeihen, wenn wirklich alle Standortbedingungen erfüllt sind, gibt es auch eine ganze Reihe Allroundtalente wie Storchschnäbel, Seggen und Bergenien, die beinahe überall wachsen.
 

Die Stauden und ihre Lebensbereiche

Das Wissen trugen Hansen und Stahl in dem bis heute vielbeachteten Buch "Die Stauden und ihre Lebensbereiche" (Verlag Eugen Ulmer, 6. Auflage 2016) zusammen.

*Zu den Personen: Richard Hansen war Wissenschaftler an der Lehr- und Forschungsanstalt für Gartenbau in Freising-Weihenstephan, Friedrich Stahl Gartenarchitekt aus Nürnberg. Prof. Dr. Josef Sieber war u. a. als "Rosenprofessor" und Staudenspezialist bekannt, Leiter des Internationalen Staudenregisters und Vizepräsident des Bundes Deutscher Staudengärtner.