Über alpine Stauden

Australische Erdorchideen in Kultur

Text: Johannes Betz, Augsburg

Der Artikel ist ein Auszug aus einer Vortragsserie über diese Pflanzenfamilie. Kontakt zum Autor: betz.johannes [at] t-online.de

Zu den abgebildeten Orchideen finden sich am Ende des Artikels nähere Informationen.


Diuris magnifica - ihre großen Blüten sind nach einem Buschfeuer weithin sichtbar.
© 2014 Johannes Betz

Orchideen kommen in allen Teilen der Erde mit Ausnahme der arktischen Regionen und der Wüsten vor. Darunter sind auch Standorte mit extremen Witterungsverhältnissen, wie sie zum Beispiel in Westaustralien oder im südöstlichen Teil Australiens vorherrschen. Nach Angaben von D.L. Jones, einem der besten Kenner der australischen Orchideenflora, finden sich in diesen unwirtlichen Regionen sehr viele der ca. 1.300 Arten, die es in Australien gibt.


Corysanthes diemenicus - der Lebensraum sind feuchte, offene Waldflächen.
© 2014 Johannes Betz

Sommerliche Hitze

Wie schaffen es diese Orchideen, sommerlicher Gluthitze zu widerstehen? Die Überlebensstrategie besteht darin, dass sie sich zu Sommeranfang in den Untergrund zurückziehen. Über 80% der australischen Orchideen bilden Knollen, die die heiße und trockene Jahreszeit im Boden überdauern. Dieses Stadium ist mit seiner geringen Oberfläche bestens gegen Austrocknung gefeit. Wenn es dann im Herbst etwas kühler wird und auch die Feuchtigkeit zunimmt, beginnen die Knollen wieder zum Leben zu erwachen.

Im Winter und dem zeitigen Frühjahr sind an den Standorten sogar kühle Nachttemperaturen nahe dem Gefrierpunkt zu erwarten. In diesem Zeitraum sind meist auch hohe Niederschlagsmengen nicht selten.


Diplodium coccineum Sein Verbreitungsgebiet ist der Südosten von Australien.
© 2014 Johannes Betz

Buschbrände

Wenn der regenarme Sommer erneut Einzug hält, wird es sehr trocken. Die Bodentemperatur kann bis auf über 40 °C ansteigen. Auch natürliche Buschbrände durch Blitzschlag sind in dieser Zeit nichts Ungewöhnliches. Diese Brände tragen vor allem zu einem blütenreichen Frühling bei, da hierbei viele wachstumsfördernde Substanzen in für Pflanzen leicht aufnehmbarer Form entstehen. Sie müssen nicht erst in langwierigen Fäulnisprozessen freigesetzt werden, Zudem sind die neuen Austriebe nicht von umgebendem Buschwerk beengt und haben für ihre Entwicklung genügend Licht und Platz.


Thelymitra nuda - australische Orchideen bevorzugen offenes Waldgelände und Buschland.
© 2014 Johannes Betz

Verschiedene Standorte

Orchideenarten, die in den Eucalyptuswäldern vorkommen, bekommen genügend Sonnenlicht, da die Blattspreiten des Eucalyptuslaubes nicht der Sonneneinstrahlung ausgesetzt werden, um einen optimalen Verdunstungsschutz zu erreichen. Man spricht hier auch von den schattenlosen Wäldern.

Andere, wiederum schattenliebende Arten fühlen sich in der mit mehr oder weniger hohen Sträuchern bedeckten Landschaft wohl, die der Australier als "Mallee" bezeichnet.

Die in den Rock out Rocks vorkommenden Orchideen wachsen in den Mulden großer Granitfelsen, die in Jahrmillionen durch Auswaschung entstanden sind und sich mittlerweile mit organischem Material, vor allem Humus und Moos, angereichert haben. Diese Gesteinsformation kann riesige Flächen einnehmen und besteht aus Urgestein. Als Resultat ergibt sich ein niederer pH-Wert unter 7,0 sowie eine gewisse Nährstoffarmut, die ohnehin in allen Böden Australiens vorherrscht.

Auffallend ist, dass diese Orchideen oftmals Pflanzengesellschaften mit den ebenfalls in Australien beheimateten Stylidien (Triggerplants) sowie Carnivoren (insektenfressende Pflanzen) bilden. Daraus ergeben sich für die Kultur dieser Pflanzengruppen wesentliche Gemeinsamkeiten.


Myrmechila truncata - mit Insektenatrtappe auf der Lippe.
© 2014 Johannes Betz

Kultursubstrate

Als Kultursubstrat hat sich eine Mischung aus Weisstorf und Perlite als Wasserspeicher sowie etwas Tongranulat als Kaliumquelle bewährt. Kalium ist ein wichtiger Nährstoff für alle Knollen- und Zwiebelpflanzen. Vulkastrat (Lava + Zeolith + gewaschener Bims) und grober Quarzsand tragen zu einem guten Lufthaushalt des Substrates bei. Zudem sorgt Vulkastrat für eine zusätzliche Versorgung mit den Hauptnährstoffen Stickstoff und Phosphor sowie lebenswichtigen Spurenelementen, wie z.B. Eisen und Mangan.

Je nach Pflanzenart werden die Knollen im Abstand von ein bis zu drei Jahren in neues Substrat umgelegt. Der beste Zeitpunkt hierzu ist der Sommer. Meist ist dies der Monat August, da jetzt der Austrieb der Knollen gerade sichtbar wird. Um die Pilzanreicherung (Mykorrhiza) zu unterstützen, mischt man etwas altes Substrat dem neuen bei.


Pterostylis baptistii bevorzugt feuchtes Gelände in Heide- und Buschland.
© 2014 Johannes Betz

Pflanzgefäße und Beleuchtung

Als Kulturgefäße haben sich höhere Töpfe bewährt. Ich bevorzuge Kunststofftöpfe mit 10 cm Durchmesser, die 10 cm hoch sind. Hier haben die Knollen die Möglichkeit, sich mit eigener Kraft tief ins Substrat zu ziehen und auf diese Weise auch gut zu entwickeln. Ich verwende immer Töpfe gleicher Höhe. Auch bei anderen Topfdurchmessern halte ich die Topfhöhe von 10 cm ein, um eine möglichst gleichmäßige Lichteinstrahlung auf den Pflanzentischen in meinen Gewächshäusern zu erzielen. Auf eine Zusatzbelichtung wurde bisher verzichtet, da die natürliche Lichteinstrahlung in den Wintermonaten völlig ausreichend ist.

Außerdem ist auf eine sorgfältige Etikettierung zu achten, da sich die Knollen der Arten einer Gattung schlecht unterscheiden lassen.


Thelymitra antennifera ist eine der wenigen duftenden Orchideen.
© 2014 Johannes Betz

Temperatur und Luftfeuchtigkeit

Während der Wachstumsphase reichen Temperaturen von 5 °C bis 15 °C im Gewächshaus aus. Tagsüber, bei entsprechender Sonneneinstrahlung, werden durchaus auch weit über 20 °C vertragen. Eine Luftumwälzung ist für ein gesundes Mikroklima unumgänglich. Eine ständige Luftbewegung ist nach eigenen Beobachtungen auch am Naturstandort vorherrschend. Sie verhindert, dass durch stagnierende Luftfeuchtigkeit Pilzerkrankungen, wie zum Beispiel Botrytis oder anderer Blattpilzbefall, auftreten. Sollten weitere Pflanzenschutzmaßnahmen, etwa bei Lausbefall oder Raupenfraß, notwendig werden, können handelsübliche Pflanzenschutzmittel Verwendung finden. Bereits bekannte, für Orchideen erprobte, unschädliche Wirkstoffe sollten dabei zum Einsatz kommen.

Einzelnen Gattungen und Arten

Pterostylis ist in Australien eine sehr weit verbreitete Gattung, die vor einigen Jahren in mehrere neue Gattungen aufgegliedert wurde.

Diplodium unterscheidet sich deutlich von Pterostylis, da der Blütentrieb direkt aus dem Boden entspringt und nicht, wie bei Pterostylis, zuerst eine Blattrosette gebildet wird. Ein weiteres, sicheres Erkennungsmerkmal besteht darin, dass bei Diplodium im Gegensatz zu Pterostylis die lateralen Sepalen den dorsalen Sepalen anliegen.

Sehr viele Diplodium- und Pterostylis-Arten sind leicht zu kultivieren und vermehren sich durch Tochterknollen sehr gut.

Stamnorchis recurva zählte früher zur Gattung Pterostylis. Diese Art wurde wegen der unterschiedlichen Merkmale blühender und nichtblühender Pflanzen einer eigenen Gattung zugeordnet. Zudem sind bei Stamnorchis die lateralen Sepalen sehr stark zurückgebogen, was ihr ein krugähnliches Aussehen verleiht. Sie ist in Westaustralien in Wäldern und Buschland auf gut drainierten Böden weit verbreitet. Sie kann an einem Blütentrieb ein bis vier Blüten bilden. In Kultur gilt sie allerdings als sehr schwierig.


Stamnorchis recurva stellt bei guter Drainage keine besonderen Bodenansprüche.
© 2014 Johannes Betz

Acianthus pusillus ist eine weit verbreitete Art in Queensland, New South Wales, Victoria und Tasmanien. Aus der Basis der ca. 1-3 cm großen, herzförmigen Blätter, die auf der Unterseite rot gefärbt sind, entspringen an 3-6 cm langen Blütenstängeln bis zu sechs Einzelblüten. Auch sie vermehren sich über Tochterknollen problemlos und bilden sehenswerte Kolonien.

Myrmechila truncata, M. trapeziformis und M. platyptera haben 5–6 cm lange und 1–1,5 cm breite, gegenständige Blätter, aus deren Mitte der Blütenstängel entspringt. Der Kallus auf jeder Einzelblüte imitiert den Körper einer weiblichen Wespe, um so Männchen zur Bestäubung der Blüte anzulocken. Myrmechila hieß vormals Chiloglottis. Chiloglottis truncata ist also heute ein Synonymname.

Thelymitra ist mit ihren über 100 Arten eine sehr große und sehr komplexe Gattung, die in den letzten Jahren in 16 verschiedene Gruppen aufgespalten wurde. Als Hauptunterscheidungsmerkmale dienen der Antherenfortsatz sowie dessen Haarfortsatz.

Die Pflanzen machen ihren Namen 'Sunorchid' alle Ehren, denn sie öffnen sich nur bei genügend Licht und Wärme. So kann es vorkommen, dass sich eine Knospe bei schlechten Witterungsverhältnissen nie öffnet. Auffallend ist auch das Fehlen des bei Orchideen typischen Labellum, der Lippe. Es ist zu einem ganz normalen Blütenblatt, einer Petale umgewandelt.

Außer in Australien kommen weitere Thelymitra-Arten in Neuseeland, Neuguinea, Indonesien und den Philippinen vor.

Diuris - Arten mit ihrem grasähnlichen Laub sind ebenfalls eine weit verbreitete Gattung in Australien. 65 Arten wurden bisher beschrieben, doch es gibt auch noch einige Namenlose unter ihnen. Viele bilden große Horste und nur einige, wenige Arten sind als Einzelpflanzen bekannt. Die langgezogenen Knollen von Diuris sehen eher Wurzelstückchen (Rhizomen) ähnlich. Mit ihren meist hochgezogenen, dorsalen Petalen, die wie Eselohren aussehen, machen sie ihrem Namen 'Donkey Orchids' alle Ehre.

Corysanthes ist heute eine eigene Gattung. Sie war früher der Gattung Corybas zugeordnet. Von den Corysanthes gibt es 15 Arten, die alle in Australien endemisch sind, also nur dort vorkommen. Sie bilden oft große Horste. Ihre Bestäubung erfolgt meist durch Pilzmücken. Die Kultur in Töpfen ist unproblematisch.

 

Meconopsis - Himalaya-Scheinmohne im Garten


Meconopsis x sheldonii 'Lingholm'
© 2011 Robert Eiler

Ein Erfahrungsbericht von Robert Eiler
Seit über 15 Jahren befasse ich mich mit der Kultur von Scheinmohnen (Meconopsis). Zum ersten Mal begegnete ich einigen dieser "großen Blauen" ( Meconopis betonicifolia, M. grandis, M. x sheldonii) und dem stachligen M. horridula im Botanischen Alpengarten auf dem Schachen ( 1850m über N.N. ) im Wettersteingebirge.

Fasziniert von diesen imposanten Erscheinungen hatte ich sogleich den Wunsch, die Kultur solcher Arten im Garten zu versuchen. Unser Grundstück liegt auf etwas über 600 m Meereshöhe im nördlichen Ostallgäu. Das Klima ist hier noch deutlich atlantisch geprägt; die Sommer sind eher feucht, lange Hitzeperioden die Ausnahme. Das kommt den im Sommer durch den Monsun bedingten, luftfeuchten Bedingungen an den Naturstandorten entgegen. Nun sind aber die meisten asiatischen Meconopsis-Arten in einer Höhenzone von 3000 bis über 5000 m anzutreffen. In unseren Alpen liegt dieser Bereich aufgrund ihres nördlicheren Verbreitungsgrades in der subalpinen Stufe deutlich niedriger. Kann so ein Kulturversuch in einer collinen Lage in Deutschland mit entsprechend höheren Temperaturen im Sommer und meist mild-feuchten Bedingungen im Winter gelingen? Ermutigt wurde ich durch die Tatsache, dass M. betonicifolia und M. grandis auch im Botanischen Garten in München, zu dem übrigens auch der Garten auf dem Schachen gehört, blühten.


Meconopsis prattii
© 2011 Robert Eiler

Bedingungen für das Gedeihen im Garten

Wie man leicht vermuten kann, ist der größte Feind bei der Kultur dieser Pflanzen die sommerliche Hitze. Eine kühle, luftfeuchte Stelle im Garten, z. B. im Halbschatten von Bäumen ist unumgänglich. Im Sommer sollte die Sonne vom späten Vormittag bis in die Abendstunden nicht mehr an den Standort gelangen. Der Standort sollte auch windgeschützt sein, denn die Blätter der meisten Arten sind recht brüchig. Meconopsis betonicifolia verlangt darüber hinaus eine saure, kalkfreie Bodenreaktion. Das Substrat sollte ferner gut durchlässig sein, damit sich in unseren, meist feucht-kühlen Wintern keine Staunässe bilden kann. Die Wurzeln würden sonst leicht faulen. Während des Wachstums benötigen diese Arten dagegen viel Feuchtigkeit. Von Gärtnern des Alpengartens auf dem Schachen erfuhr ich, dass die Pflanzen zu dieser Zeit auch reichlich Nährstoffe brauchen. Zum Düngen während der Vegetationszeit verwendete ich bisher nur organischen, käuflichen Rhododendrendünger.

Anlage eines geeigneten Beetes

Der schwere, kalkhaltige Lehmboden von ca. 1,30 m Dicke in unserem Garten ist für die Kultur von Meconopsis-Arten denkbar ungeeignet. Daher musste ich erst den geeigneten Untergrund für die Pflanzung schaffen.

In der irrigen Annahme, dass alle Meconopsis-Arten eine saure Bodenreaktion wünschen, legte ich im Schatten von Bäumen zwei Beete wie folgt an: Die Seitenwände eines Aushubs von ca. 50 cm Tiefe kleidete ich mit übrig gebliebener Teichfolie aus, um zu verhindern dass durch Regenwürmer kalkhaltige Erde aus der Umgebung wieder in das Beet eingebracht wird. Dann füllte ich eine ca. 10 cm hohe Drainageschicht aus zerbrochenen Dachziegeln ein, die ich mit einem sehr dünnen, wasserdurchlässigen Vliesmaterial abdeckte. Anschließend wurde ein humoses, aber gut durchlässiges und nährstoffreiches Substrat mit den Hauptkomponenten Laubkompost und handelsüblicher Rhododendronerde sowie Granitsplitt und Quarzsand unter Zusatz von einigen, wenigen Hornspänen eingebracht.

Später fand ich in der Rock Garden Plant Database (Internet) M. x sheldonii, M. napaulensis und M. horridula als indifferent gegenüber der Bodenreaktion angegeben, nur M.betonicifolia als kalkfliehende Art.

Von mir kultivierte Arten


Meconopsis betonicifolia
© 2011 Robert Eiler

Meconopsis betonicifolia
In Fachbüchern und Zeitschriften zeigen Abbildungen von Blüten dieser mehrjährigen Art in der Regel ein wunderbares, reines Blau. Samen und Jungpflanzen bekommt man in vielen größeren Gartenmärkten. M. betonicifolia wurde bei mir bis ca. 70cm hoch mit einem Blütendurchmesser bis 9cm bei älteren, voll geöffneten Blüten.

Es ist vielleicht die robusteste Art unter den "Blauen". Eine in unserem Garten im Allgäu bereits seit einigen Jahren etablierte Pflanze hat selbst den denkwürdigen Sommer 2003 (sehr trocken, extreme Temperaturen bis 38 °C) überstanden und kam auch 2004 wieder voll zur Blüte. Die Blütezeit liegt in unserem Garten zwischen Mitte Mai und Mitte Juni. Im Spätherbst ziehen die Pflanzen vollständig ein.

Bei meinem Erfahrungsaustausch mit Gleichgesinnten hatte ich erfahren, dass sich die Bodenreaktion bei M. betonicifolia auf die Blütenfarbe auswirkt. Kalk im Substrat bringt zum Beispiel unansehnliche Farben hervor. In früheren Versuchen mit weniger sorgfältig ausgewählten Erdmischungen erzielte ich stumpfe, leicht rotstichige Blütenfarben. Ein Berufsgärtner, der sich auch mit der Kultur von Meconopsis befasst, meinte, dass ein Befall mit Mehltau die Blütenfarbe verändere.

Trotz der oben beschriebenen, aufwändigen Anlage der Beete erreichten die Blüten bei mir im Garten nie das strahlende Blau, das die Bilder von Veröffentlichungen versprechen. Stets war die Farbe deutlich blasser.

Interessant wäre ein Vergleich der Blütenfarben mit Pflanzen aus Gebieten mit kalkarmen Böden und niedrigen, sauren pH-Werten.


Meconopsis x sheldonii 'Lingholm'
© 2011 Robert Eiler

Meconopsis x sheldonii 'Lingholm'
M. x sheldonii ist eine Kreuzung aus M. betonicifolia und M. grandis. Wie bei vielen Kreuzungen sind die Pflanzen oft steril, es gibt aber auch fertile Hybriden. Dazu gehört die Sorte 'Lingholm'. Diese mehrjährige Spezies wird über 80 cm hoch, ist kräftiger im Habitus als die eingangs beschriebene Art und brachte auch größere Blüten mit bis zu 14 cm Durchmesser hervor. Auch diese Art blüht zwischen Mitte Mai und Mitte Juni. Lebt die einzelne Blüte auch nur wenige Tage, so öffnet sich in der Folge doch eine Knospe nach der anderen, so dass die Pflanzen insgesamt 4 bis 6 Wochen lang blühten. Dieser Blütenreigen trifft in etwa auch auf die weiteren, hier aufgeführten Arten zu.

Meconopsis x sheldonii 'Lingholm' zieht im Spätherbst vollständig ein.

Zu unserer Freude enttäuschten bei dieser Art, im gleichen Beet wachsend wie M. betonicifolia, die Blütenfarben nicht!


Meconopsis napaulensis
© 2011 Robert Eiler

Meconopsis napaulensis
Samen von M. napaulensis, einer monocarpen Art, (d.h. sie stirbt nach der Fruchtreife ab) konnte ich erstmals 1998 erwerben. Ende Mai 2001 kam dieser großwüchsige Scheinmohn an einer halbschattigen Stelle in unserem Steingarten zur Blüte. Die Pflanzen wurden 1,40 m hoch. Das Spektrum der Blütenfarbe reicht von Rosa über Rot bis Violett. Diese Pflanze zieht im Gegensatz zu den bisher genannten Arten nicht ein, sondern überwintert oberirdisch mit einer kräftigen, stark behaarten Rosette. Spätestens ab Anfang August war bei allen, von mir gezogenen Pflanzen dieser Art folgendes zu beobachten: Die Blütenknospen, die sich bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht geöffnet hatten, verfärbten sich bräunlich und entwickelten sich nicht mehr weiter. Die Blätter bekamen zunehmend Flecken in gleicher Farbe. Ebenso erging es den Samenkapseln; sie konnten nicht mehr ausreifen. War es ein Pilzbefall, ein Virus oder einfach doch zuviel Sonne, der Standort also nicht schattig genug? Mehrere Jahre probierte ich erfolglos, die Pflanzen zur Samenreife zu bringen. Meine Erfahrung: M. napaulensis kommt gut in Blüte, stirbt dann aber langsam ab, noch bevor reife Samen gebildet werden.


Meconopsis prattii
© 2011 Robert Eiler

Meconopsis prattii
Diese monocarpe Art wurde erst vor einiger Zeit aus der Horridula-Gruppe ausgegliedert. Die Samen habe ich unter der Bezeichnung Meconopsis horridula erhalten. Wie der lateinische Name andeutet sind die mehrblütigen Stängel, die Blätter und selbst die Samenkapseln dieser Pflanzen mit Stacheln bewehrt.

Diese Art wurde in unserem Garten ca. 70- bis 100 cm hoch. Sie blühte im Juni in einem wunderbaren, tiefen Blau mit weißen Staubfäden. Zu unserer großen Freude hatte sie sich selbst ausgesät, auch außerhalb des speziell angelegten Beetes. In einem Vortrag hörte ich einmal, dass diese Art am Naturstandort auch über Kalkgestein vorkommen soll.


Meconopsis integrifolia
© 2011 Robert Eiler

Meconopsis integrifolia
Diese ebenfalls monocarpe Art war mein letzter Versuch. Sie wurde erst im Januar 2008 ausgesät und später nicht ins "saure Beet" gepflanzt, denn die Art möchte gemäß Rock Garden Plant Database (Internet) einen gewissen Kalkgehalt im Substrat. Dazu wurde der bereits genannten sauren Erdmischung Kalktuffgrus hinzugefügt. Die Pflanzen zogen im Winter nicht ein, sondern überdauerten mit gelb behaarten, grundständigen Blattrosetten. Sie blühten ab Ende April 2010. Die Infloreszenzen sitzen auf ca. 30 cm hohen Stängeln. Die bei dieser Art gelben Blüten mit einem Durchmesser von ca. 5 cm wurden durch die überaus häufigen Regenfälle in diesem Jahr leider bald glasig und unansehnlich.


Meconopsi napaulensis
© 2011 Robert Eiler

Vermehrung und ihre Probleme

Von Anfang an hatte ich größtes Interesse, die Arten selbst über Samen zu vermehren und zum Blühen zu bringen.

Nun gehören die Meconopsis-Arten aus dem Himalaya zu den Kaltkeimern, d. h. sie müssen einer längeren Kälteperiode ausgesetzt ("stratifiziert") werden. Gemäß ihrer Nähe zu Papaver und der geringen Korngröße ihrer Samen gehören sie wohl zu den Lichtkeimern. Sie keimten jedenfalls unbedeckt auf dem Substrat, wurden größtenteils aber mit einer sehr dünnen Schicht Quarzsand bedeckt, weil sie dann erfahrungsgemäß stabiler stehen und beim Gießen nicht so leicht verschwemmt werden. Die Aussaat erfolgte in der Regel im Spätherbst, meist im Dezember in eine Mischung aus handelsüblicher Aussaaterde und saurem Sand unter Zusatz von etwas Perlite. Die Schalen wurden anschließend für ca. eine Woche zum Quellen der Samen in einen kühlen Raum gestellt. Danach kamen sie ins Freie, nur geschützt vor einem Zuviel an Regen. Bei mir ist es ein zugiges, ungeheiztes Gewächshaus, die Türe bleibt meist offen. Dann ist das Wetter an der Reihe, die Keimhemmung der Samen zu brechen. Wenn Schnee liegt, werden die Aussaatschalen gelegentlich damit bedeckt.


Mehltau an Meconopsis x sheldonii
© 2011 Robert Eiler

Die Keimung erfolgt meist Ende März bis Anfang April. Danach kommt die lange Zeit des Wartens. In den nächsten Wochen ist so gut wie überhaupt kein Wachstum zu bemerken. Wenn die Sonneneinstrahlung intensiver wird, muss auf genügend Schattierung geachtet werden. Spätestens ab Mai stehen die Jungpflanzen regengeschützt unter dem Dachvorsprung an der Nordostseite unseres Hauses, wo die Sonne bereits am späten Vormittag verschwindet. Wenn die Pflänzchen nach den beiden Keimblättern zwei echte Blätter entwickelt haben, kann pikiert werden. Bei mir war es meist Ende Mai so weit. Nun wird es spannend. Gefürchtet sind jetzt die heißen Tage mit 30 °C und mehr. Die Jungpflanzen werden dann schnell von Mehltau befallen. Irgendwann im Sommer trifft es praktisch jede Jungpflanze – je nach Dauer der Hitzeperiode mehr oder weniger stark ausgeprägt. Stark befallene Blätter wurden entfernt und stets haben einige Pflanzen überlebt. Ein Extrembeispiel: Von 29 Meconopsis X sheldonii 'Lingholm' aus der Aussaat vom Dezember 2003 waren nach einer Hitzeperiode im Juli und August 2004 nur zwei durchgekommen, die sich dann aber zügig weiterentwickelten und im Mai 2006 zum ersten Mal blühten. Es ist aber nur selten so dramatisch. Von der Aussaat im Dezember 2005 habe ich die meisten Jungpflanzen durchgebracht und auch die Sommer 2006 bis 2010 waren eher kühl und feucht gewesen. Man sollte sich nicht entmutigen lassen, denn eine blühende Pflanze einer attraktiven Art ist immer ein absoluter ‚Hingucker‘.

Schwache Jungpflanzen sollte man im ersten Jahr noch in den Töpfen belassen. Diese bleiben bei mir auch im Winter im Freien, nur geschützt vor einem Zuviel an Regen. Im zweiten Vegetationsjahr sind die Pflanzen dann wesentlich robuster als im Jahr zuvor und widerstehen am geeigneten Standort auch höheren Temperaturen im Sommer recht gut. Bei allen hier besprochenen Arten ist eine Blüte im nächsten bis übernächsten Jahr nach der Keimung zu erwarten.

Grundsätzlich lieben es die Himalaya-Arten, in der Wachstumsphase mit der Gießkanne überbraust zu werden. Bei Hitze darf aber nur in den frühen Morgenstunden gegossen werden, damit die Pflanzen bis zum Eintritt der Tageshitze wieder abtrocknen können; sonst schafft man günstige Bedingungen für Mehltaubefall.

Entgegen allen anderen Behauptungen gehen Schnecken in unserem Garten leider doch gerne an alle diese Pflanzen. Sogar vor Meconopsis horridula mit ihren stachelbewehrten Blättern machen sie nicht Halt. Es ist besonders ärgerlich, Jungpflanzen auf diese Weise zu verlieren. Ohne einen mäßigen Einsatz von Schneckenkorn (Wirkstoff Metaldehyd) komme ich hier nicht aus. Dieser Stoff wirkt austrocknend auf Mollusken. Oft werden die Präparate als schädlich für Igel und andere Tiere verteufelt. (Ein klares Wort zum Thema Schneckenkorn findet man in dem Artikel von Thomas Schuster in der Zeitschrift "Gartenpraxis", Heft 5/2006, Seite 45ff.).

Samen von allen genannten Meconopsis-Arten und noch weitere sind im Fachhandel (Jelitto) erhältlich. Der Zugriff auf die alljährlich neu erscheinenden Samenlisten der Gesellschaft der Staudenfreunde e.V. (GdS), der Alpine Garden Society in Großbritannien (AGS) sowie der North America Rock Garden Society (NARGS) ist nur durch Mitgliedschaft möglich.


Meconopsis integrifolia im Garten
© 2011 Robert Eiler

Literaturhinweise:
Köhlein, Fritz: Mohn und Scheinmohn. Ulmer, Stuttgart 2003, Seite 69 - 75
Rock Garden Plant Database (Internet)
Zeitschrift Gartenpraxis, Ulmer, Stuttgart 2006, Heft 5, Seite 45 ff.

 

Anlegen eines Hochmoor-Heide-Ausschnittes im Garten


Erica tetralix
© 2010 Hugo Herkner

Text: Dr. Hugo Herkner

Allgemeines
Der mit Wasser getränkte Torf verkörpert das eigentliche Moor. Höher gelegene, trockenere Gebiete am Rande des Moores charakterisieren die Heide.

Baumaterial
Durch seinen Wassergehalt muss ein künstliches Moor gegen seine Umgebung wasserdicht abgesichert werden. Baustoffe wie für einen Gartenteich finden demnach Verwendung. Man kann die 60–80 cm tiefe Mulde ausbetonieren, muss den Beton aber wegen seines Kalkgehaltes mit einem ungiftigen Anstrich versiegeln. Alternativ kann die Vertiefung auch mit Teichfolie ausgelegt werden. Diese Plastikhaut ist allerdings sehr verletzungsgefährdet. Neben Beton und Folie kommen die stabilen Kunststoffschalen, wie sie in verschiedenen Größen und Formen als Gartenteiche angeboten werden, in Betracht.


Saxifraga hirculus
© 2010 Hugo Herkner

Lage
Ein Moor benötigt neben kalkfreiem Wasser am besten den ganzen Tag über Sonne. Unter einem hohen Laubbaum hat ein derartiges Biotop wenig Überlebenschancen; Laub erstickt jegliche Moorvegetation.

Substrat
Käuflicher Torf variiert je nach Abbautiefe in seiner Konsistenz. Wir benötigen für unsere Zwecke oberflächennahen Weiß- bzw. Sphagnumtorf. Nicht jeder Gartencenter hat diesen Torf vorrätig. Um Gärprozesse zu vermeiden, füllen wir unser Moor nicht gänzlich mit diesem Substrat auf. Nur die oberen 30 cm bestehen aus diesem Naturprodukt. Zu unterst kommt garantiert kalkfreies, mineralisches Material, z.B. Quarzkies (Baustoffhandel). Nur im äußersten Notfall füllen wir auch unten mit handelsüblichem Torf auf. Über das mineralische Substrat breiten wir ein Vlies (Gartencenter), bevor wir cirka 30 cm hoch unseren Sphagnumtorf einbringen. Wurzeln oder Äste beleben das Biotop zusätzlich. Für die Heidevegetation erhebt sich ein Torfhügel über das Niveau hinaus. Ein Moortümpel darf in keinem Fall fehlen.


Drosera rotundifolia
© 2010 Hugo Herkner

Weitere Hinweise
Bei einer gegen die Umgebung isolierten Mooranlage kommt es gerne in den tieferen Torfschichten zu giftigen Zersetzungsprozessen, die sich ungünstig auf das Pflanzenwachstum auswirken. Der Moortümpel wirkt diesen Gärungsvorgängen entgegen. Als seine Begrenzung ist z.B. ein schwarzer Teichpflanzengitterkorb bestens geeignet. Bei alleiniger Torffüllung sitzt der Gitterkorb auf einem umgedrehten Eimer. Dieser muss mit der Öffnung dem Untergrund aufliegen, enthält später ausschließlich Wasser in seinem Inneren und besitzt im Boden mehrere 0,5 cm große Löcher. Die Methode, den ganzen Boden des Moores mit durchlöcherten Eimern auszulegen (Wasserreservoir) und nur die Zwischenräume mit Torf auszufüllen, ist zwar einleuchtend, erlaubt aber leider keine gefahrlose Begehung. Bei einer Quarzkiesfüllung ruht der Gitterkorbboden auf der mineralischen Unterlage. Die in Aquarianerkreisen wohlbekannte Wasserumwälzung mit Luftblasen würde im Moortümpel die biologische Situation weiter verbessern.


Nymphaea tetragona
© 2010 Hugo Herkner

Erst wenn alle genannten Arbeiten erledigt sind, darf das Moor ganz langsam mit kalkfreien Wasser aufgefüllt werden, damit sich der Torf voll Wasser saugen kann. Nach zwei bis drei Tagen wird angepflanzt. Baumscheiben als Tritt- und Arbeitsplatten passen gut in das Gesamtbild.

Ferner ist dafür Sorge zu tragen, dass bei einem Platzregen kein kalkhaltiges Material in die Mooranlage geschwemmt wird. Überschüssiges Regenwasser im Moor findet von selbst einen Weg nach außen. Unerklärlicher Wasserverlust ist meist die Folge von Kapillareinwirkungen (z.B. Falten in der Teichfolie). Im Frühjahr holen Amseln besonders gerne das nasse Torfmoos zum Nestbau, im Herbst erstickt das Falllaub die Moorvegetation; beides Einsatzmöglichkeiten für ein Vogelschutznetz.


richophorum alpinum
© 2010 Hugo Herkner

Pflanzen für Hochmoor und Heide

* teilweise Winterschutz erforderlich

Hochmoor
Eriophorum vaginatum Scheidiges Wollgras
Trichophorum alpinum Alpen-Wollgras
Rhynchospora Schnabelbinse
Scheuchzeria palustris Blasenbinse
Sedum villosum Moor-Fetthenne
Saxifraga hirculus Moor-Steinbrech
Oxycoccus Moosbeere
Lycopodiella inondata Moor-Bärlapp
Narthecium ossifragum Beinbrech-Lilie
Hypericum elodes Moor-Johanniskraut
Sarracenia Schlauchpflanzen *
Darlingtonia Kobralilie *
Dionaema Venusfliegenfalle *
Drosera Sonnentau *

Moortümpel
Sphagnum Torfmoos
Sparganium minimum Zwerg-Igelkolben
Utricularia Wasserschlauch


Ledum palustre
© 2010 Hugo Herkner

Heide
Betula nana Zwergbirke
Betula humilis Moorbirke
Calluna Besenheide
Erica Glockenheide
Daboecia Irische Heide
Andromeda Rosmarinheide
Ledum Sumpfporst
Myrica gale Gagelstrauch
Empetrum Krähenbeere
Vaccinium Heidelbeere; Preiselbeere, Rauschbeere
Pernettya Torf-Myrthe
Helonias bullata Moornelke
Molinia Pfeifengras
Pogonia Moor-Orchidee


Pogonia
© 2010 Hugo Herkner

Literatur
Maier, Erich: Das Moor im eigenen Garten. Parey-Verlag.
Beck, Peter: Gartenlust Wassergärten. Kosmos-Verlag.
Beck, Peter: Gartenteiche. Kosmos-Verlag.

Bezugsquellen
Johannes Betz
Schleiermacherstr. 16
86165 Augsburg
Tel.: 08 21 – 15 29 26
Fax: 08 21 – 2 72 22 16

Viele Gärtnereien und Gartencenter

Vermehrung von Alpinpflanzen durch Stecklinge

Text: Eugen Schleipfer

Was bedeutet ‚Alpin’?
Mit dem Wort ‚Alpin’ ist keine Pflanzenart oder -sorte gemeint. Der Begriff ‚Alpin’ charakterisiert die Gebirgsregion oberhalb der Waldgrenze. Es ist die höchstgelegene, von Pflanzen besiedelte Gegend vor dem nackten Fels oder Gletscher.

Diese auch als Alpine Zone bezeichnete Region liegt in unseren Alpen zwischen 2000 bis 3000 m über dem Meeresspiegel. Die Luft ist ‚dünner’. Der Sauerstoffgehalt der Luft ist niedriger, der Kohlendyoxidgehalt über dem Boden fast Null. Der steinige Boden ist humusarm oder von rein mineralischer Zusammensetzung.


Hauswurz (Sempervivum arachnoideum)
© 2010 Hugo Herkner

Warum sind Alpine anders?
Analog zu Wüstenpflanzen sind viele alpine Gewächse in der Lage, Wasser einzulagern und gegebenenfalls bei chemischen Prozessen zu recyceln. Als sogenannte C4-Pflanzen können sie außerdem das bei ihrem Atmungsprozess selbst erzeugte Kohlendioxid über Apfelsäure bzw. deren Salze für die nächste Fotosynthese speichern. Paradebeispiel sind hierfür die Dickblattgewächse (Crassulaceen), nach denen auch diese Art der Kohlenhydratgewinnung (C4–Stoffwechsel) in der Botanik unter der Bezeichnung CAM bekannt ist (CAM = Crassulacean Acid Metabolism). Zu ihnen zählen zum Beispiel alle Hauswurz- und Fetthennenarten und natürlich noch viele andere Familienangehörige. C4- Vertreter finden wir auch in allen großen Pflanzengruppen des Flachlandes, so z.B. bei Gräsern, echten Stauden, die im Winter einziehen (perennieren), Zwiebeln, Sträuchern, vielen Halbsträuchern, Bäumen sowie bei sehr vielen immergrünen Pflanzen. Immergrün sind manche Alpinpflanzen, weil ihnen in den lediglich drei schneefreien Monaten schlicht die Zeit fehlt, vor der Blüte erst noch neue Blätter zu bilden.


Kreuzblütler (Schleifenblume, Iberis sempervirens)
© 2010 Hugo Herkner

Zum besseren Verständnis für C4 -Pflanzen ist zu sagen, dass alle Gewächse mit natürlichem Atmungszyklus und Fotosynthese als C3-Pflanzen bezeichnet werden. Sie erzeugen ihre Kohlenhydratprodukte mit der Calvinmethode (C3-Stoffwechsel).

Weiterhin gibt es eine große Gruppe von Alpinpflanzen mit eingebauter Bremse. Kreuzblütler (Cruciferen) wie Iberis, Aubrieta, Erysimum, Aethionema, Petrocallis, Cardamine, Arabis, Morisia u. v. a. zählen dazu. Diese Arten wurzeln nur während der Frostperiode. Sie bilden zum Winter hin einen anderen Gewebesaft, eine Art Frostschutzmittel auf Zuckerbasis. Nur wenn dieser Gefrierschutz vorhanden ist, machen sie Wurzeln.

Der Ablauf eines Sommers bei einer Alpinpflanze lässt sich andeutungsweise mit einer Gebirgstour vergleichen. Den Rucksack packen kann man schon am Abend vorher, denn bei Sonnenaufgang müssen wir losmarschieren, sonst kommen wir nicht bis zum Gipfel. Auf die Alpinpflanze übertragen heißt das: Wer trödelt, schafft es nicht bis zur Blüte und Samenreife.


Blaukissen (Aubrieta)
© 2010 Hugo Herkner

Was ist bei Alpinstecklingen besonders zu beachten?
Für diese Art Stecklinge ergeben sich folgende Grundregeln:

  • Nicht in der Wachstum- oder in der Blütezeit probieren; das funktioniert gegebenenfalls bei Tiefland- oder Tropenpflanzen.
  • Nie mit hoher Bodentemperatur (Bodenheizung) arbeiten.
  • Wegen Fäulnisgefahr nur in mineralisches, humusfreies Substrat stecken.
  • Lüften, Schattieren und Gießen nicht vergessen.

Es macht also wenig Sinn, in der schönsten Blüte- und Fotografierzeit im Botanischen Garten oder im Gebirge Stecklinge von Alpinpflanzen zu sammeln; sie bilden zu dieser Zeit keine Wurzeln und sterben ab.

Gewinnung und Kultur von Stecklingen

Das Schneiden eines Stecklings ist keine Hexerei. Neben Stecklingsmaterial benötigt man lediglich ein scharfes Messer oder eine Rasierklinge. Eine Schere quetscht zu sehr die Schnittstelle und erhöht damit die Fäulnisgefahr. Ein damit verbundenes Absterben der Stecklinge ist vorprogrammiert.

Winterstecklinge
Diese Art von Stecklingen schneiden wir nicht bereits im November, sondern erst zu Frostbeginn und überwintern sie auch nicht im warmen Milieu. Mit einem Steckholz versenken wir den kurzstieligen Steckling bis zur Blattrosette in einem Frühbeet oder Blumentopf und gießen ihn an.

Er wird gegen Austrocknung mit lichtdurchlässigem Folienmaterial (Plastikbeutel) umhüllt. Im Freiland ist in einigem Abstand zur Folie noch eine Glasscheibe gegen Platzregen und Schnee zu empfehlen. An allen Tagen mit Temperaturen zwischen 0 und +5 °C beginnen sich Wurzelknospen zu bilden. Steigt im März die Temperatur an, kann die Pflanze ‚mit gepacktem Rucksack’ loslegen. Wir warten aber mit dem Umtopfen bis mindestens Ende Mai, damit wir nicht die noch zarten Wurzeln beschädigen.

Prinzipiell ist mit anderen Stecklingen bei der Überwinterung ähnlich zu verfahren.

Zuweilen brauchen manche Arten zum Anwachsen im Frühjahr etwas länger, weil sie erst bei höheren Temperaturen Wurzeln bilden. Dies erfordert mit Beginn der frostfreien Periode eine fortlaufende Kontrolle, weil sie auf keinen Fall austrocknen dürfen.

Bis etwa Anfang Mai wurzeln so Sonnenröschen, Lotwurz, Moltkia, Geranien, Lavendel, Phlox, Nelken und viele andere.

Mit Folie oder Haube versehene Topfstecklinge könnte man im März ins Haus holen. Aber Vorsicht, denn Wärme erfordert auch mehr Licht. Ist die Lichteinwirkung zu gering oder zu kurz, fangen die Stecklinge schnell an zu faulen. Sicherer ist es, sich in Geduld zu fassen und die Stecklinge draußen zu lassen.


Seidelbast (Daphne arbuscula)
© 2010 Hugo Herkner

Sommerstecklinge
Ein günstiger Zeitpunkt für Sommerstecklinge im Freien oder im halbschattigen Kasten ist ab Mitte Juli. Diese Zeitangabe ist mehr für holziges Stecklingsmaterial geeignet, das vor allem ohne Frostschutzmittel überwintert. Seidelbast, Zwergweiden und Astern sind neben den bereits erwähnten Familien hier noch zu nennen. Ihre Pflege ist während der warmen Jahreszeit zwangsläufig aufwendiger. Sie setzt sich aus Lüften, Schattieren, Gießen oder Sprühen sowie Entfernen der Abdeckung bei leichtem Regen zusammen.

Bei dieser Art von Stecklingen sollte der Stängel nach Möglichkeit nicht zu weich sein und ca. sechs Laubblätter aufweisen. Man schneidet ihn unterhalb eines Stängelknotens von der Mutterpflanze ab und reißt die zwei untersten Blätter weg. Die dadurch entstandene, größere Wunde kann zu besserer Wurzelbildung verhelfen, aber auch zu leichterem Faulen führen.

Humus- und düngerfreies Substrat sind Grundvoraussetzungen für alpine Pflanzen. Man kann überlebenswichtige Hinweise nicht oft genug betonen. Wurzelhormone können hilfreich sein. Ein halbschattiger Standort im Frühbeet, kalten Kasten, Kalthaus, vor allem aber für den folienumhüllten Blumentopf, muss ohne Unterbrechung gewährleistet sein. Eine Überhitzung macht unsere Arbeit schnell zunichte.


Weide (Salix boydii)
© 2010 Hugo Herkner

Ein Geheimtipp aus Großvaterszeit funktioniert immer noch bestens: Im Rasen wird ein Viereck sauber ausgestochen und die Grasnarbe entfernt. Die Erde darunter ist weitgehend unkrautfrei und bereits biologisch aufbereitet. Sie wird etwas aufgelockert und das Loch mit einem Holzrahmen ausgekleidet. Nun werden die Stecklinge mittels Steckholz in die Rasenerde eingesenkt, angegossen und mit einer Glasscheibe abgedeckt, die dem Holzrahmen aufliegt. Man hat so ein erfolgversprechendes Stecklingsklima im Kleinen, das jedoch auch den erforderlichen Pflegemaßnahmen wie Lüftung, Schattierung und Bewässerung unterliegt. Nur Ausdauer und Erfahrung führen bei Stecklingskultur letzten Endes zum Erfolg.

Staudengärtnermeister Eugen Schleipfer
Sedlweg 71
86356 Neusäß bei Augsburg

 

Primula - Europäische Primeln

Text: Gerhard Hofmeister

Die Gattung Primula ist im europäischen Raum mit gut 30 Arten und zahlreichen Unterarten vertreten. Rund 80% der Primelarten sind relativ leicht im Garten zu kultivieren, wenn man ihre Ansprüche hinsichtlich Erdmischung und Standort erfüllt. Die restlichen Arten haben ganz spezielle Ansprüche; ihre Kultur wird nur dem Spezialisten gelingen. Die hier vorgestellten Kulturempfehlungen basieren überwiegend auf meinen eigenen Erfahrungen im Garten.

Von Botanikern werden die Primeln in sogenannte Sektionen eingruppiert, in erster Linie aufgrund von Merkmalen der Pollen. Entsprechend dieser Eingruppierung stelle ich hier die Arten vor. Die Sektionen kann man etwa folgendermaßen charakterisieren:
Auricula: Hochgebirgsprimeln mit meist ledrigen Blättern
Farinosae: Arten mit bemehlten Blättern und Blüten
Vernales: frühlingsblühende Schlüsselblumen und Kissenprimeln

Sectio Auricula - Subsectio Euauricula


Primula auricula
© 2010 Hugo Herkner

Primula auricula L., Aurikel
Die Art ist über die ganzen Alpen einschließlich des Schwarzwaldes (Feldberggebiet) verbreitet. Sie besiedelt Kalkfels und Kalkschiefer in Höhen von 250 bis 2900 m. Der Blütenstängel wird 5 bis 20 cm hoch. Die teilweise bemehlten, meist wohlriechenden Blüten sind hell- bis dunkelgelb gefärbt. Primula auricula gedeiht im Garten gut in einem kalkhaltigen, steinigen Lehmhumusboden. Eine Vermehrung ist durch Aussaat, Stecklinge oder Wurzelschnittlinge möglich.

Unterarten:
Primula ssp. bauhini (Beck) Lüdi, Südschweiz, Südalpen
Primula ssp. ciliata (Moretti) Lüdi, Judikarische Alpen , Apennin
Primula var. monacensis Widmer, Dachauer Moor, Erdinger Moos
Primula var. obristii (Stein) Bech., Südtirol
Primula var. serratifolia (Roch.), Banat
Primula var. widmerae Pax, Schwarzwald
Primula var. bellunensis Venzo, Schweiz


Primula palinuri
© 2010 Rudolf Weiss

Primula palinuri Petagna, Italienische Aurikel
Nur in Südwest-Italien beim Cap Palinuri in sonnigen, sommertrockenen Kalkfelsspalten anzutreffen. Große, hellgrüne, ledrige Blätter sitzen auf einem verholzten Stamm. Die Blatt- und Blütenstängel sind teilweise stark bemehlt. Der ca. 25 cm hohe Blütenstand setzt sich aus 35 bis 40 dunkelgelben, duftenden Blüten und einem auffallend großen Stützblatt zusammen.

Wächst im Garten zufriedenstellend in einem durchlässigen, schotterigen Kalklehmboden oder in sonnigen, trockenen Kalkfelsspalten. Benötigt während der Sommerruhe einen regengeschützten Standort. Eine Vermehrung sowohl durch Aussaat, als auch durch Teilung älterer Pflanzen, Stecklinge oder Wurzelschnittlinge ist möglich.

Subsectio Brevibracteata


Primula carniolica
© 2010 Hugo Herkner

Primula carniolica Jacp., Krainer Schlüsselblume
Diese endemische Art der Julischen Alpen (Krain) wächst auf anmoorigen Kalkböden im Halbschatten bewaldeter Schluchten. Die glänzenden, hellgrünen Blätter umrahmen einen bis zu 25 cm hohen Blütenstand mit rosaviolettfarbenen Blüten, die einen auffallend bemehlten Schlund aufweisen.

Die etwas empfindliche und selten im Handel erhältliche Primel gedeiht am besten halbschattig in einem mit Kalksteinen angereicherten moorigen Humusboden (Abraumsubstrat von Kalkflachmooren). Eine erfolgreiche Vermehrung ist am ehesten durch Aussaat gegeben.


Primula marginata
© 2010 Hugo Herkner

Primula marginata Curtis, Meeralpen-Primel
In sonnigen Kalkfelsspalten des Cottischen und Ligurischen Gebirges als auch in den Seealpen anzutreffen. Die länglich-eiförmigen Blätter sind an den Rändern weiß oder gelblich bemehlt. Bis zu 15 hell- bis dunkellila gefärbte Blüten sitzen auf einem 10 bis 12 cm hohen Stängel.

Eine leicht zu pflegende, schöne Primel, die einen sandig-lehmigen, mit Kalksteinbrocken durchsetzten Boden liebt und selbst mit Felsspalten zufrieden ist. Eine Vermehrung ist sowohl durch Aussaat als auch durch Teilung älterer Pflanzen oder Stecklinge möglich.

Primula latifolia Lapeyr., Breitblättrige Primel
Bevorzugt die Spalten kalkarmer Felsen der West- und Räthischen Alpen. Findet sich ferner im Monte-Rosa-Gebiet und in den Ostpyrenäen. Die dunkelgrünen Blätter sind an den Rändern ungleich gesägt und mit kurzen, klebrigen Drüsenhaaren besetzt. Die auf einem 15 bis 20 cm hohen Stängel sitzenden, anfänglich rotviolettfarbenen Blüten gehen beim Verblühen ins Blaue über.

Primula latifolia erweist sich als ein schwieriger Pflegling. Erfolgversprechend ist eine Mischung aus 3 Teilen Silikatgrus und 1 Teil kalkfreier Torferde. Der Klon aus den Ostpyrenäen hat, an einen kühlen Standort gepflanzt, nach meiner Erfahrung die längste Lebensdauer. Eine Vermehrung erfolgt durch Aussaat, Teilung älterer Pflanzen oder Stecklinge.

Subsectio Erythrodrosum


Primula apennina
© 2010 Hugo Herkner

Primula apennina Widmer, Apeninnen-Primel
Das Hauptvorkommen liegt im nördlichen Apennin, im südlichen Teil ist sie äußerst selten. Ein schöner, aber schwieriger Zwerg, der wegen seiner Kalkscheue nur in Granitspalten wächst. Die 2,5 bis 4 cm langen Blätter sind eiförmig und mit gelblichbraunen Drüsen bedeckt. Der 3 bis 5 cm hohe Blütenstängel weist oft 6 bis 8 Blüten von rosavioletter Farbe mit einem weißem Auge auf. Kalkverträglicher ist der seltenere, südliche Klon. In Urgesteinsspalten gepflanzt ist die Kultur nicht schwierig, wenn man die Pflanze nach der Blüte etwas trockener hält. Die Vermehrung ist durch Samen oder Teilung möglich, Stecklinge bewurzeln sich kaum.


Primula daonensis
© 2010 Hugo Herkner

Primula daonensis Leyb., Inntaler Schlüsselblume
Vom Adamellogebiet bis zum Ortler und im Gebiet um den Croce Domini in Höhen um 1500 bis 2800 m auf Granitfelsen beheimatet. Die unregelmäßig gezähnten Blätter sind matt dunkelgrün bis gelblichgrün. Alle grünen Pflanzenteile sind mit rötlichen Drüsenhaaren besetzt. Auf dem ca. 3 bis 5 cm hohen Blütenstängel sitzen 3 bis 6 rotlilafarbene Blüten mit weißem Schlund.

In einem kalkfreien, steinigen Substrat bereitet P. daonensis wenig Schwierigkeiten. Die Vermehrung erfolgt durch Aussaat oder Teilung.

Die Unterart Primula daonensis var. breviscapa P. H. Huang et L. H.Zhuo vom Monte Blumone ist im Wuchs zierlicher, somit eine ideale Trogpflanze.


Primula hirsuta exacapa
© 2010 Gerhard Hofmeister

Primula hirsuta All., Behaarte Primel
Vorkommen in den Zentral- und Ostpyrenäen sowie auf kalkarmem Fels im mittleren Teil der zentralen Alpenkette, also von den Hohen Tauern bis zu den Grajischen Alpen. Bevorzugt normalerweise Höhen von 1000 bis 2600 m; am Lago Maggiore ist sie aber schon bei 230 m Meereshöhe anzutreffen. Alle grünen Teile dieser spaltenliebenden Pflanze sind mit kurzen, sehr klebrigen Drüsenhaaren besetzt. Die verkehrt eiförmigen Blätter sind teilweise gezähnt. Der 5 bis 6 cm hohe Blütenstängel weist 3 bis 5 karminrosafarbene Blüten auf. Sehr selten sind weißblühende Pflanzen anzutreffen.

Im Alpinum ist P. hirsuta in engen Urgesteinsspalten mit kalkfreiem Substrat gut zu halten. Die Vermehrung erfolgt durch Aussaat oder Teilung älterer Pflanzen; Stecklingsversuche verlaufen meist negativ.

Es gibt neun Unterarten, deren Status aber umstritten ist. Lediglich zwei davon sind erwähnenswert: P. hirsuta var serrulata Beauv.ist gegen Kalkwasser unempfindlich und blüht rosa bis weiß, P. hirsuta var. nivea Hort. AM besitzt reinweiße Blüten und ist deshalb sehr gefragt.


Primula villosa
© 2010 Klaus Patzner

Primula villosa Wulfen, Zottige Primel
Besiedelt in der Steiermark und in Kärnten kalkarmes Gestein in Höhen von 1400 bis 2600 m. Die länglich ovalen Blätter sowie alle übrigen, grünen Pflanzenteile sind dicht mit bis zu einem ¾ mm langen, rötlichen, sehr klebrigen Drüsenhaaren besetzt. Der bis zu 8 cm hohe Blütenstängel trägt oft 8 rosafarbene Blüten mit weißem Auge.

P. villosa wächst nicht so willig wie P. hirsuta. Sie liebt es halbschattig bis schattig, kühl und absolut kalkfrei. Nach dem Verblühen ist sie trockener zu halten. Die Vermehrungsmöglichkeiten sind die gleichen wie bei P. hirsuta angegeben.

Unterarten sind P. villosa f. commutata (Schott) Lüdi, P. villosa f. cottica (Widmer) Lüdi, und P. villosa f. norica (Kerner et Widmer) Lüdi. Alle drei zeigen nur geringe Unterscheidungsmerkmale, reagieren aber viel empfindlicher und stellen somit hohe Ansprüche an Klima und Boden.


Primula albenensis
© 2010 Hugo Herkner

Primula albenensis Banfi & Ferl., Monte-Alben-Primel
Wurde am Monte Alben in den Bergamasker Alpen in absonniger Lage an feuchten, überhängenden Kalkfelsen in 1200 bis 2100 m Höhe gefunden.
Die länglich ovalen, teilweise gezähnten Blätter sowie alle übrigen grünen Pflanzenteile sind dicht mit mehligen Drüsenhaaren besetzt. Der ca. 5 bis 6 cm hohe, mehlig weiße Blütenstängel trägt rotviolettfarbene Blüten mit hellem Schlund.

Ist im Alpinum in absonniger Lage in Kalkfelsspalten oder in Kalkschotter mit nur wenig Humusbeimengung, also weitgehend mineralisch, zu pflanzen. Die Vermehrung erfolgt am besten durch Aussaat oder Teilung älterer Pflanzen. Stecklingsvermehrung ist ebenfalls möglich.


Primula recubariensis
© 2010 Hugo Herkner

Primula recubariensis Prosser & Scortegagna, Monte-Lessini-Primel
Findet sich in den nördlichen, steilen Dolomitfelsen des Monte Lessini an absonnigen, kühlen Stellen. Die rundlichen, breitovalen Blätter sowie alle übrigen Pflanzenteile sind mit dunkelgrünen Drüsenhaaren besetzt. Auf dem ca. 0,6 bis 1,5 cm hohen Blütenstängel sitzen 2 bis 5 blaulilafarbene Blüten mit weißem Schlund. Im Alpinum sind Kalkfelsspalten oder Kalkschotter mit wenig Humus an einer kühlen, schattigen Stelle bevorzugte Standorte. Die Vermehrung geschieht ähnlich wie bei P. albenensis, ist nur meistens nicht so erfolgreich.

Subsectio Arthritica


Primula clusiana
© 2010 Klaus Patzner

Primula clusiana Tausch, Clusius Schlüsselblume
Diese sehr kalkbedürftige Primel kommt oberhalb der Baumgrenze in einer Höhe von 1800 bis 2300 m im östlichen bayerischen Alpenvorland bis zu den Wiener Schneebergen auf steinig-humosen Böden vor. Die kahlen Blätter sind länglich-eiförmig und ganzrandig; der Blattrand ist weißknorpelig und mit Drüsenhaaren besetzt. Der 2 bis 10 cm hohe Blütenstängel ist mit 3 bis 6 rosafarbenen Blüten mit weißem Auge besetzt.

P. clusiana wächst im Alpinum zufriedenstellend in einer Mischung 2/3 Kalksteinsplitt und 1/3 Humuserde. Eine erfolgreiche Vermehrung ist durch Aussaat oder Teilung älterer Pflanzen möglich. Eine Unterart aus Niederösterreich ist als Primula clusiana var. admontensis beschrieben.

Primula glaucescens Morettti, Meergrüne Schlüsselblume
Kommt endemisch in Höhenlagen von 500 bis 2500 m in den Judikarischen und Bergamasker Alpen vor. Bevorzugt Kalkfelsspalten oder ruhenden Kalkschotter in feuchter, halbschattiger Lage. Die ca. 10 cm langen, lanzettförmigen, nicht klebrigen Blätter sind dunkelgrün, glänzend und besitzen einen weißen Knorpelrand. Auf dem ca. 6 bis 10 cm hohen Blütenstängel sitzen leuchtend purpurrosafarbene Blüten mit einem kleinen weißen Auge.

Eine Vermehrung ist durch Aussaat oder Teilung mehrtriebiger Pflanzen möglich.

Als Unterarten sind beschrieben: P. glaucescens ssp. Calycina (Duby) Pax und P. glaucescens ssp. langobarda (Porta) Widmer.


Primula spectabilis
© 2010 Hugo Herkner

Primula spectabilis Tratt., Prächtige Schlüsselblume
Von den Veroneser bis zu den Judikarischen Alpen ist diese Primelart vertreten. Sie ist in Höhen von 600 bis 2500 m in halbschattigen Kalkfelsspalten sowie in höheren Lagen im kalkschotterhaltigen, humosen Kurzrasen anzutreffen. Die ca. 10 cm langen und bis zu 4 cm breiten Blätter sind dunkelgrün glänzend, nicht klebrig und mit einem weißen Knorpelrand versehen. Den ca. 10 bis 12 cm hohen Blütenstängel zieren bis zu 8 rosenrotfarbene Blüten mit weißem Auge. P. spectabilis liebt kalkschotterhaltigen Humusboden, dem man zur Förderung der Blühwilligkeit etwas verrotteten Rinderdung beimischt. Die empfindlichste Art aus Subsectio Arthritica. Eine Vermehrung ist durch Aussaat oder Teilung älterer Pflanzen möglich.


Primula wulfeniana
© 2010 Klaus Patzner

Primula wulfeniana Schott, Wulfens Schlüsselblume
Aus den südöstlichen Kalkalpen bekannt. Bevorzugt feinen, sandig-humosen Kalkschutt in Höhen von 1500 bis 2200 m. Die ca. 5 cm langen, ovalen zugespitzten Blätter sind dunkelgrün glänzend, nicht klebrig und wie die der vorigen Art mit weißem Knorpelrand versehen. Der ca. 4 bis 8 cm hohe Blütenstiel trägt bis zu 6 rosafarbene, zuweilen leuchtend rote Blüten mit einem kleinen weißen Auge. Gelegentlich findet man auch helllilafarbene oder weiße Exemplare.

Am besten im Alpinum in einen sandigen, kalkschotterhaltigen Humusboden in kühler, feuchter Ostlage pflanzen. Liebt wie P. spectabilis ebenfalls alten, verrotteten Rinderdung. Die Vermehrung erfolgt durch Aussaat oder Teilung mehrtriebiger Pflanzen.

Die aus Rumänien stammende, empfindlichere P. wulfeniana ssp. Baumgarteniana Degen et Moesz hat etwas schmalere Blätter und wächst am Naturstandort nur an freiliegenden, kühlen Stellen.

Subsectio Rhoposidium


Primula allionii
© 2010 Hugo Herkner

Primula allionii Loisel, Allionis Schlüsselblume
Diese allbekannte Primel ist nur in den Seealpen und Ligurischen Alpen zu finden. Sie bevorzugt Höhenlagen von 800 bis 2000 m und wächst unter überhängenden Kalkfelsen. Diese sehr nässeempfindliche Pflanze ist am Naturstandort von den mit Kalkstaub überzogenen, abgestorbenen Blättern der letzten Jahre umgeben. Die ca. 2 bis 3 cm langen Blätter sind rundlich, eiförmig, mattgrün und mit feinen Drüsenhaaren besetzt. Die der Blattrosette aufsitzenden Blüten sind entweder dunkelrot oder hellrosarot gefärbt und haben einen weißem Schlund; weißblühende Exemplare sind selten.

Diese frostunempfindliche Primel ist immer an eine Stelle zu pflanzen, wo sie gegen Nässe geschützt ist. Sie benötigt neben dem erforderlichen Nässeschutz ein kalksandhaltiges, humoses Substrat. Eine erfolgreiche Vermehrung ist durch Aussaat oder Teilung älterer Pflanzen, bei Farbvarianten nur durch Teilung möglich.


Primula integrifolia
© 2010 Klaus Patzner

Primula integrifolia L., Ganzblätterige Primel
In den Pyrenäen und mittleren Westalpen (Graubünden) über kristallinem Gestein in 1600 bis 3000 m Höhe anzutreffen. Als Schneetälchenbesiedler meist auf tonig-humosen Böden zu finden. Die ganze Pflanze ist dicht mit feinen, nicht klebrigen Härchen besetzt. Die ca. 3 bis 4 cm langen Blätter sind weich, spatelförmig, ganzrandig und glänzend grasgrün. Der ca. 2 bis 4 cm hohe Blütenstängel ist mit 1 bis 2 purpurrosa- bis lilarosafarbenen, weißäugigen Blüten besetzt.

Diese Art ist ein schwieriger Pflegling und fauler Blüher. Als Pflanzsubstrat dient saurer Lehm mit grobem Torf, je zur Hälfte gemischt. Der Pflanzort sollte feucht, kühl und halbschattig sein (Moorbeet). Eine Vermehrung ist durch Aussaat oder Teilung mehrtriebiger Pflanzen zu probieren.


Primula kitaibeliana
© 2010 Dieter Schacht

Primula kitaibeliana Schott, Dinarische Primel
Eine nur im westlichen Jugoslawiens beheimatete Primel (endemisch). Sie wächst im Karst des Velebit- und Dinarischen Gebirges in Spalten mit größeren Humusansammlungen. Die ca. 4 bis 6 cm langen, länglich eiförmigen Blätter sind gelbgrün, mit wenigen Drüsenhaaren besetzt und riechen nach Ölfarbe. Der ca. 4 bis 6 cm hohe Blütenstängel ist mit 4 bis zu 3 cm großen, lilarosafarbenen Blüten besetzt.

Gilt als schwieriger Pflegling! Der Pflanzort sollte gut drainiert sein, das Substrat aus 2/3 Kalkschotter und 1/3 Rohhumus bestehen. Wegen Fäulnisgefahr muss die Pflanze nach der Blüte trocken gehalten werden (Karstpflanze). Eine Vermehrung ist durch Aussaat, Teilung älterer Pflanzen oder Stecklinge zu versuchen.


Primula tyrolensis
© 2010 Klaus Patzner

Primula tyrolensis Schott, Südtiroler Schlüsselblume
Eine nur im südöstlichen Südtirol vorkommende, also endemische Primel. Die kalkliebende Pflanze wächst in einer Höhe von 1000 bis 2400 m in schattigen Felsspalten. Die ca. 2 bis 3 cm langen, eiförmigen Blätter sind dunkelgrün und mit farblosen, klebrigen Drüsenhaaren bedeckt. Bis zu 4 rosenrotfarbene Blüten mit weißem Auge sitzen auf einem 1 bis 2 cm hohen Stängel.

Als Felsspaltenpflanze ist sie im gängigen Alpinum kaum zu kultivieren. Halbschattig gelegene Steinspalten mit einem wenig Humus enthaltenden mineralischen Substrat sind erfolgversprechender. Eine Vermehrung durch Aussaat oder Stecklinge ist möglich; bei größeren Exemplaren mit mehreren Austrieben empfiehlt sich eine Teilung.

Subsectio Cyanopsis


Primula deorum
© 2010 Dieter Schacht

Primula deorum Velen., Götterprimel
Aus dem Rilagebirge in Bulgarien stammt diese nur dort heimische, somit endemische Primel. Sie wächst in einer Höhe von 2000 bis 2500 m auf feuchten, im Frühjahr von Schmelzwasser überfluteten kalkfreien Wiesen. Die kleinen Blätter sind schmal, spatelförmig, lederartig, ganzrandig und erstrahlen in einem leuchtenden Grün. Auf einem ca. 15 cm hoher Stängel sitzen bis zu 10 dunkelrote, nickende Blüten.

Ein schwieriger Pflegling, der nur im Halbschatten eines feuchten, kühlen Moorbeetes einen längeren Zeitraum überdauert. Eine Vermehrung ist nur durch Aussaat möglich. Bis zur ersten Blüte vergehen oft 4 Jahre.


Primula glutinosa
© 2010 Klaus Patzner

Primula glutinosa Wulf.ex Jacq., Klebrige Schlüsselblume
In den Ostalpen auf kalkarmem Magerrasen oder tonigem Schutt in Höhen von 1900 bis 3000 m zu finden. Die ca. 4 bis 6 cm langen Blätter sind gesägt, knorpelrandig und zeigen ein mattes Grün. Mit vielen kleinen Drüsenhaaren besetzt, fühlt sich die Pflanze klebrig an. Der ca. 5 bis 7cm hohe Blütenstängel ist mit bis zu 8 blauen bis blauvioletten, gelegentlich sogar weißen Blüten besetzt. Sie zählt mit zu den schwierigsten Primeln. Nur in fast reinem Urgesteinssand mit etwas Torferde (4/5 Urgesteinssand und 1/5 Torferde) in halbschattiger, kühler, mildfeuchter Lage ist P. glutinosa über einen kurzen Zeitraum zu kultivieren und vielleicht auch zum Blühen zu bringen. Eine Vermehrung wäre durch Aussaat oder Teilung möglich.

Subsectio Chamaecallis


Primula minima
© 2010 Hugo Herkner

Primula minima L., Zwergschlüsselblume, Hab mich lieb
Eine weit verbreitet Primel des ostalpinen Raumes. Wächst vorwiegend über Urgestein; über Kalk nur auf einer dicken Rohhumusschicht. Die keilförmigen, steifen Blätter sind glänzend grün. Der gezähnte Blattrand ist mit kurzen Drüsenhaaren besetzt. Die nahezu stängellose (0,2 bis 0,5 cm) Blüte ist rosa bis rosenrot gefärbt und besitzt ein weißes Auge. Sehr selten sind weißblühende Exemplare (Albinos) anzutreffen.

In Kultur wächst P. minima zufriedenstellend, ist aber sehr blühfaul. Leicht torfhaltiges Substrat, vermischt mit Urgesteinssplitt, und ein kühler, halbschattiger Standort sind gute Vorraussetzungen. Mit einer blütenanregenden Düngergabe sofort nach der Schneeschmelze kann eine Steigerung des Blütenflors erreicht werden. Die Vermehrung erfolgt durch Aussaat oder Teilung eines Polsters.

Sectio Farinosae - Subsectio Eu Farinosae

Primula exigua (Velen.) Hayek, Bulgarische Mehlprimel
P. exigua teilt sich im Rilagebirge zusammen mit P. deorum den gleichen Lebensraum, blüht jedoch ca. 3 bis 6 Wochen vor P. deorum. Die Pflanze wird etwas größer als P. deorum und erscheint in der Blütenfarbe etwas dunkler als P. farinosa. Die 1 bis 5 cm langen Blätter sind verkehrt eiförmig und nicht immer bemehlt. Der zur Blütezeit ca. 6 cm hohe Blütenstängel wird während der Samenreife ca. 20 cm lang. Anfänglich zieren ihn bis zu 12 dunkellilafarbene Blüten.

Nicht leicht zu kultivieren; am ehesten noch in einem sehr feuchten Moorbeet.

Eine Vermehrung ist nur durch Aussaat möglich. Samen oder Pflanzen werden leider selten angeboten.

Primula farinosa L., Europäische Mehlprimel
Eine über die gemäßigten Breiten der ganzen Welt verbreitete Primel mit einigen Unterarten und Varietäten. P. farinosa ist ein Besiedler sumpfiger Wiesen, von Flachmooren und feuchten Senken. Die verkehrt eiförmigen Blätter sind leicht runzelig, fein gezähnt und glänzen auf der Oberseite etwas, während die Blattunterseiten und die Blütenstängel stark bemehlt sind. Die Blütenfarbe variiert von purpurrosa über helllila bis weiß, das Blüteninnere ziert ein sattgelber Schlund.

Im Garten muss man der P. farinosa einen ihrer Natur entsprechenden Lebensraum bieten und sie in größerer Stückzahl (10 bis 12 Exemplare) in torfig-lehmiges Substrat pflanzen. Je sonniger der Standort, desto feuchter der Untergrund lautet ein weiterer Erfolgshinweis. Die Vermehrung geschieht am besten durch Aussaat: eine Teilung der Pflanze ist nicht sehr ergiebig.

Subspecies und Varietäten

Primula farinosa var. albiflora Pax
Im ganzen Verbreitungsgebiet treten nur sehr, sehr selten weißblühende Exemplare auf.

Primula farinosa var. flexicaulis (Beauv.) Hegi
Kleine, dafür aber viele Blüten. Nur ein Fundort in der Schweiz in ca. 600 bis 700 m Höhe bei Biel bekannt.

Primula farinosa var. chrysophylla Trautv. et Mey.
Die östliche Form von P. farinosa mit deutlich goldgelber, mehliger Unterseite der tief eingekerbten Blätter.

Primula farinosa var. denutata Koch
Nur im bayrischen Voralpenland ist diese nicht bemehlte Variante mit ihren fast ungezähnten Blättern anzutreffen.

Primula farinosa var. acaulis Ahlq.
Diese samenbeständige Variante stammt aus dem Wallis (Schweiz).

Primula farinosa var. xanthophylla Smith et Flechter
Eine ostalpine Form mit geringer Bemehlung und helllilafarbenen bis fast weißen Blüten.

Primula farinosa ssp. exigua Velenovsky, Hayek.
Wird heute als selbständige Art geführt und ist hier als P. exigua beschrieben.

Primula farinosa var. littoralis Heslop Harrison
Ebenfalls aus dem ostalpinen Bereich stammt diese gegen Kalk und längere Trockenheit gefeite und somit für das Alpinum am besten geeignete Varietät.

Primula frondosa Janka, Bulgarische Mehlprimel
Im Piringebirge in Bulgarien findet man in feuchten, kalkfreien, schattigen Felsspalten diese größere Mehlprimelart. Die länglichovalen, schwach gezähnten Blätter sind an der Unterseite stark bemehlt und doppelt so groß wie bei P. farinosa. Bis zu 30 purpurrosafarbene Einzelblüten sitzen an einem Stängel.

P. frondosa ist unempfindlicher und reichblühender als P. farinosa und in einem mildfeuchten, halbschattigen und kalkfreien Substrat leicht zu halten. Eine Vermehrung ist durch Aussaat oder durch Teilung älterer Pflanzen möglich.


Primula halleri
© 2010 Hugo Herkner

Primula halleri J. F. Gmel, Langröhrige Schlüsselblume
Ist in den West- und Ostalpen, also von den Seealpen bis zum Kleinen Kaukasus, in Höhenlagen zwischen 1600 und 2500 m anzutreffen. Besiedelt dort mildfeuchte, mit Kalkschotter durchsetzte Kurzrasen. Die länglich eiförmigen, leicht gezähnten Blätter glänzen oberseitig, zeigen aber eine Bemehlung auf der Unterseite.

P. halleri wächst fast in jedem normalen Boden, der mit Kalksplitt etwas aufgelockert ist. Die Blüten selbst sind hellviolett mit einem gelben Schlund. Der ca. 20 cm hohe Stängel trägt oft bis zu 25 Einzelblüten mit 2 bis 3 cm langen Kronröhren. Eine Vermehrung ist bei dieser Primel nur durch Aussaat zu erreichen.

Primula scandinavica Braun,
Primula striata Hornem. Nordische Primeln
Beides sind ein- bis zweijährige Primelarten, die in Island, Schweden und Norwegen auf feuchten, kalkschotterhaltigen Wiesen vorkommen. Die verkehrt eiförmigen Blätter von P. scandinavica sind 2 bis 3 cm lang, ihre Unterseite auffallend weiß bemehlt. Der 4 bis 7 cm hohe Blütenstängel ist nur an der Spitze bemehlt und trägt bis zu 12 purpurviolettfarbene Blüten mit gelbem Schlund.

P. stricta bleibt im ganzen gesehen etwas kleiner und blüht hellviolett. Ihr Hauptvorkommen beschränkt sich auf Island. Sie ist eine reine Liebhaberpflanze. Die Vermehrung beider Primelarten ist nur durch Aussaat möglich.

Primula scotica Hook., Schottische Primel
Diese endemische, 1- bis 2- jährige Primel wächst nur in den nordschottischen Torfgebieten nahe der Küste oder auf alten Dünen in dieser Region. Die graufarben bemehlten Blätter sind zu kleinen Rosetten zusammengefasst, aus denen 2 bis 3 ca. 4 cm hohe Blütenstängel hervorgehen, die jeweils bis zu 8 purpurviolettfarbene Blüten mit einem leuchtend gelben Auge tragen.

Leicht zu halten in sandhaltigem, feuchtem Torfsubstrat, erfahrungsgemäß auch in Heideerde. Eine Vermehrung gelingt meist nur durch Aussaat sofort nach der Samenreife.

Sectio Vernales


Primula elatior
© 2010 Klaus Patzner

Primula elatior (L.) Hill, Hohe Schlüsselblume
Eine über ganz Mitteleuropa verbreitete Primel, die an ihren Standort keine besonderen Ansprüche stellt. In Höhenlagen von 0 bis 1600 m findet man sie an halbschattigen, feuchten Stellen in Wiesen und lichten Wäldern. Die länglich-eiförmigen, runzelig anmutenden Blätter sind am Rand wellig und unregelmäßig gezähnt. Eine deutliche Behaarung und eine meist graugrüne Blattunterseite sind weitere Merkmale. Bis zu 15 hell- bis schwefelgelbe Einzelblüten sitzen am 20 bis 25 cm hohen Blütenstängel.

P. elatior gedeiht in fast jedem leicht feuchten Gartenboden. Eine Vermehrung ist durch Aussaat oder Teilung älterer Pflanzen gegeben.

Es werden in der Literatur 7 Varianten angeführt, die sich in ihrem Aussehen und in ihren Ansprüchen nur unwesentlich von der Nominatform unterscheiden.


Primula veris
© 2010 Hugo Herkner

Primula veris L., Arznei-Primel
Das Verbreitungsgebiet von P. veris deckt sich mit dem ihrer Vorgängerin P. elatior. Sie blüht jedoch 1 bis 2 Wochen später, besiedelt mehr die sonnigeren und trockeneren Flächen und steigt im Gebirge nur bis maximal 1000 Höhenmeter hinauf. Die länglich-eiförmigen, runzeligen Blätter sind am Rand unregelmäßig gezähnt und ihre Oberfläche mit samtigen Haaren bedeckt. Auf dem ca. 25 cm hohen Stängel sitzen 8 bis 10 Einzelblüten. Sie zeigen eine mehr glockenförmige Gestalt und weisen am Schlund 5 orangefarbene Flecken auf.

In Bezug auf Bodenbeschaffenheit und Feuchtigkeit ist diese Primel sehr anspruchslos. Eine Vermehrung ist wie bei P. elatior möglich.

Es gibt 4 Unterarten, die sich kaum voneinander unterscheiden. Lediglich P. veris ssp. uraliensis aus dem europäischen Teil des Urals mit ihrer kräftig orangeroten Blüte ist erwähnenswert.


Primula vulgaris
© 2010 Hugo Herkner

Primula vulgaris Huds., Kissenprimel
Im westlichen und südlichen Mitteleuropa sowie in Nordafrika und Kleinasien anzutreffen. Wächst hier auf Wiesen und in lichten Wäldern in mildfeuchtem, lockerem Humus. Die runzeligen, länglich-eiförmigen Blätter sind an der Blattunterseite teilweise stark behaart. Die kurzstieligen, fast der Blattrosette aufsitzenden, meist gelben Einzelblüten weisen orangerote Schlundflecken auf.

Primula vulgaris wächst problemlos in jeder Art von Gartenboden. Vermehrung durch Samen oder durch Teilung älterer Pflanzen ist problemlos.

Subspecies

P. vulgaris ssp. heterochroma (Stapf) Smith et Forrest
Stammt aus dem südlichen europäischen Teil Russlands. Ihr Charakteristikum ist die filzige, schneeweiße Blattunterseite. Die Blütenfarbe dieser sehr seltenen Art ist entweder schwefelgelb, graublau oder fahlrosa.

P. vulgaris ssp. sibthorpii (Hoffmgg.) Smith et Forrest
Wildvorkommen in Zentral-Griechenland, in der Westtürkei und im Kaukasus. Diese Unterart blüht als erste bereits im Februar an halbschattigen Standorten mit rosa- bis karminrotfarbenen Blüten. Verwildert kommt P. vulgaris ssp. Sibthorpii an verschiedenen Stellen im mittleren Neckarraum vor.


Primula vulgaris ssp. balearica
© 2010 Gerhard Hofmeister

P. vulgaris ssp. balearica (Willk.) Smith & Forrest
Obgleich diese wohlriechende Primel aus den Bergen von Mallorca stammt, übersteht sie Frosttemperaturen bis -20 °C. Ihre Blütenfarbe ist weiß, der Schlund gelb. Blüht wie P. vulgaris ssp. sibthorpii bereits im Februar.

P. vulgaris ssp. ingwerseniana Helos-Harrison
Aus Griechenland vom Olymp beschrieben. Da sie jedoch stark Primula vulgaris ssp. balearica ähnelt, ist ihr botanischer Status umstritten.

Verwendete Literatur
AGS: Encyclopedia of Alpines. AGS Publications Ltd.
Köhlein, Fritz: Primeln. Ulmer Verlag, Stuttgart 1984.
Smith, G.F., B. Burrow und D.B. Lowe: Primulas of Europe and America. AGS Publications Ltd., 1984.

 

Pleione limprichtii - eine Tibet-Orchidee für den Garten


© 2010 Hugo Herkner

Text: Gerd Stopp (Gerd.Stopp [at] t-online.de)

Pleionen sind meist erdbewohnende Orchideen aus dem Himalaya. Nur die Pleione limprichtii ist unter unseren Klimaverhältnissen als absolut winterhart zu bezeichnen und wird seit vielen Jahren in Europa kultiviert.

Die ersten Exemplare wurden von dem schwedischen Botaniker Dr. Harry Smith 1934 in der Nähe von Kanding, Provinz Sichuan, in SW-China gefunden und über die Gärtnereien Magnus Johnson und van Tubergen verbreitet. Am Standort besiedeln die Pflanzen bemooste Felsen in 2900 – 3100 m Höhe mit winterlicher Schneedecke.

Vermutlich ist nur ein einziger, wüchsiger Klon der Grundstock aller Bestände, denn die in Kultur befindlichen Pflanzen sind in allen Merkmalen identisch.
Die in den letzten Jahren erfolgten Beobachtungen am Naturstandort zeigen eine große Variabilität von Pleione limprichtii in der Blütenfarbe und eine weitaus größere Verbreitung als bisher angenommen.


© 2010 Hugo Herkner

Kultur im Garten
Im Garten gehört Pleione limprichtii zu den am besten wachsenden Orchideen, wenn man ihre Ansprüche nur einigermaßen erfüllt. Der Standort sollte generell halbschattig bis schattig und leicht feucht sein. Im Schatten von Gehölzen, z.B. kleineren Rhododendren, fühlt sich die Art sehr wohl. Aber auch in moosigen Felspalten, trockeneren Bereichen von Moorbeeten und in Topfkultur kann man gute Erfolge erzielen.

In den letzten Jahren vorgenommene Versuche mit der Kultur auf alten, bemoosten Tuffsteinen waren sehr erfolgreich, die Wurzeln wachsen unmittelbar auf dem Kalk. Pleione limprichtii ist also auch kalkverträglich.

Das Substrat kann aus sehr verschiedenen Materialien gemischt werden: Buchenlauberde, Torf, Sand, Moos oder feinere, handelsübliche Orchideensubstrate bringen gute Erfolge. Ich kultiviere seit einigen Jahren fast ausschließlich in reiner Pinienrinde der Körnung 0-8 mm. Französische Pinienrinde ist preiswert in vielen Baumärkten erhältlich. Dieses Substrat hat den großen Vorteil nicht zu vermoosen und über lange Jahre stabil zu bleiben. Allerdings muß man in der Vegetationszeit regelmäßig leicht düngen, denn Pinienrinde enthält kaum Nährstoffe.

Alle Substrate sollen sehr durchlässig sein, das Gießwasser muß schnell abziehen.

Der Vegetationszyklus
Pleione limprichtii beginnt ihr Wachstum, je nach Wetterlage, im März oder April und blüht Ende April bis Mitte Mai. Kleine Pseudobulben treiben zuerst eine schöne, rosafarbene Blüte. Schon kleinste Bulben, ab etwa Erbsengröße, entwickeln eine Blüte von 4-5 cm Durchmesser, größere Bulben tragen bis zu vier Blüten!

Aus dem Blütentrieb entwickelt sich dann der Neutrieb, meist zwei Stück pro Bulbe, und außerdem einige kleine Brutbulben ("Bulbillen") auf der Oberseite der alten Pflanze.

Im Laufe des Sommers entstehen die neuen Bulben und die alte vergeht. Im Herbst, nach dem Blattfall, stehen dann zwei bis drei neue Pflanzen am Standort. Das erklärt auch die gute Vermehrung von Pleione limprichtii.

Während der Wachstumszeit von etwa Mai bis September sollte das Substrat nicht austrocknen; an heißen Tagen kann man etwas sprühen, um eine kühlere Umgebung zu schaffen. Je nach Substrat sollte alle 2-3 Wochen leicht gedüngt werden. Handelsüblicher Orchideendünger, auch milde organische Dünger wie Hornspäne, Knochenmehl oder Rinderdung leisten gute Dienste. Es ist besser, häufig und dafür in geringeren Mengen zu düngen.

Im Herbst, nach dem Blattfall, beginnt die Ruhezeit. Die alten Wurzeln sterben den Winter über ab. Eine winterliche Abdeckung mit etwas Laub, Vlies oder Fichtenreisig und darüber einem Regenschutz ist günstig, aber nicht unbedingt erforderlich. Ich habe an verschiedenen Stellen kleine Horste von Pleione ohne jeden Schutz über einige Jahre kultiviert. Wenn der Standort stimmt, gibt es auch keine Verluste.

Mögliche Probleme bei der Kultur
Einige Pflanzenliebhaber klagen über Schwierigkeiten und Totalverluste bei der Kultur. Nach meinen über 35-jährigen Erfahrungen mit der Kultur von Pleione limprichtii kann es folgende Probleme geben: Die Bulben stehen den Winter über zu warm und zu trocken. Die kleinen Bulben haben nur einen geringen Wassergehalt, sie vertrocknen in relativ kurzer Zeit. In der Heimat sind die Pflanzen unter einer Schneedecke gegen Austrocknung geschützt.

Die für andere Pleionen angegebene trockene Überwinterung ist daher für Pleione limprichtii völlig falsch! Die Bulben sollten immer in noch leicht feuchtem Substrat stehen. Auch eine Aufbewahrung im Kühlschrank bei etwa 1-3°C in einer Plastikhülle ist über die kalte Jahreszeit möglich.

Im langen Winter 2005/2006 wurden meine Bestände im November abgedeckt und erst Ende März, nach langer Schneebedeckung und Kälte, wieder aufgedeckt. Unter der Folie war alles naß, aber keine Pleione zeigte Schäden.

Ein weiteres Problem sind Kahlfröste und Spätfrost im Frühjahr. Wenn im Winter die Bulben hart gefroren sind und von wärmenden Sonnenstrahlen getroffen werden, können sie innerhalb kurzer Zeit Schaden nehmen. Bei schattigem Standort und, damit verbunden, langsamerem Auftauen gab es auch ohne jede Abdeckung kein Problem.

Bei Spätfrösten im Frühjahr und krassen Temperaturwechseln zwischen Tag und Nacht können die schon vorhandenen Blütenknospen und Neutriebe erfrieren. Eine einfache Abdeckung mit Vlies bringt hier Abhilfe.

Nach einiger Zeit entwickelt Pleione limprichtii durch ihre hohe Vermehrungsrate schöne Horste mit zahlreichen Blüten – ein bezaubernder Anblick. Doch sollten alle zwei bis drei Jahre im zeitigen Frühjahr, vor dem Austrieb, die Bulben ausgebuddelt und im Abstand von ca. 3 cm neu aufgepflanzt werden. Die obere Hälfte der Bulbe muß dabei aus dem Substrat herausschauen.

Pleione limprichtii ist eine schöne Orchidee, die in keinem Stein- oder Staudengarten fehlen sollte. Auch dem Anfänger gelingt die Kultur, wenn die Kulturbedingungen einigermaßen stimmen.

 

Sarracenia flava und ihre Klone


Sarracenia flava var. atropurpurea
© 2010 Johannes Betz

Text: Johannes Betz (Betz.Johannes [at] t-online.de)

Als ich mich vor 20 Jahren das erste Mal mit Carnivoren beschäftigte, hatten es mir besonders die Sarracenien angetan. Mittlerweile kultiviere ich über 50 verschiedene Klone. Teils habe ich sie in meinen künstlich angelegten Mooren ausgepflanzt, oder ich kultiviere sie in meinen Gewächshäusern.

Das größte Interesse bringe ich jedoch immer noch für Sarracenia flava auf, die mich mit ihren großen kräftigen, farbenfrohen Schläuchen und den im Frühjahr erscheinenden gelben Blüten immer wieder erfreut. Einige möchte ich Ihnen hier vorstellen.

Sarracenia flava ‘Pure Green Pitcher’
Die Schläuche sind ganz grün, ohne jegliche Pigmentierung; ca. 20 - 25 cm hoch, Schlauchöffnungsdurchmesser bis 2 cm (kleinste Öffnung unter den flavas).

Sarracenia flava ‘Coppertop’
Sie wurde von Donald Schnell im „Carnivorous Plant Newsletter“ im Dezember 1998 (Vo-lume 27, Nr. 4) als S. flava var. cuprea vorgestellt. Es ist eine meiner schönsten S. flava: der Deckel und das obere Viertel des Schlauches sind kupferfarben. Dies kommt besonders gut zur Geltung, wenn im Frühling die ersten Sonnenstrahlen auf die jungen Schläuche treffen. Von dieser Pflanze kultiviere ich drei verschiedene Klone.


Sarracenia flava var. rubicorpora
© 2010 Johannes Betz

Sarracenia flava var. atropurpurea
Dieser Klon kam als S. flava 'ALL RED’ in meine Sammlung und wurde von Donald Schnell in dem oben erwähnten Artikel als S. flava var. atropurpurea registriert. Die Schläuche und der Deckel dieser Varietät sind ganz rot gefärbt, obwohl es schon Jahre gab, in denen diese Färbung nicht so intensiv war. Im nächsten Jahr trat dann wieder die volle rote Färbung auf. Woran dies liegt, ist mir noch ein Rätsel. Wahrscheinlich spielt hier die Lichtintensität eine Rolle, die für die Anthocyanbildung verantwortlich ist. Sämlinge (auch anderer Klone), die ich in den Wintermonaten unter eine Natriumdampflampe stellte, färbten ihre Keimblätter ganz rot ein.


Sarracenia flava var. cuprea
© 2010 Johannes Betz

Sarracenia flava var. rubicorpora
Diesel Klon wurde, bevor ihn Donald Schnell 1998 als rubricorpora benannte, als S. flava 'Red Tube-Green Lid’ in Umlauf gebracht. In vielen Büchern, Zeitschriften und Sammlungen ist diese Pflanze als Sarracenia flava 'BURGUNDY’ zu finden. Wie der Name schon sagt, sind hier die Schläuche rot und die Deckel mehr oder weniger grün. Diese Pflanze macht wie S. atropurpurea Schläuche bis zu 70 cm.

Sarracenia flava var. ornata
Eine wunderschöne Pflanze, deren Schläuche eine intensiv dunkelrote, geordnet erscheinende Musterung aufweisen. Die kräftigen Schläuche werden bis zu 30 cm lang und besitzen eine große Schlauchöffnung.

Sarracenia flava var. rugelii
Diese Varietät besitzt zwischen Schlauch und Deckel einen roten Kragen und ist ansonsten absolut anthocyanfrei. Von diesen Pflanzen kultiviere ich derzeit drei Klone:
1. Dieser Klon ist sehr gedrungen und macht Schläuche von bis zu 30 cm; der rote Kragen ist nur schwach ausgebildet.
2. Hier werden die Schläuche bis 70 cm und der rote Kragen ist sehr intensiv und kräftig aus-gebildet.
3. Der Klon gleicht dem vorigen, nur dass hier der Deckel gewellt ist, weshalb der Klon als Sarracenia flava var. rugelii 'WAVY LID’ bezeichnet wird.

Sarracenia flava 'Heavy Veined’
Hier wird es etwas schwierig, denn zwischen den grünen und roten Schläuchen gibt es einige sehr schöne Übergänge von grün zu rot. Dadurch ist die Aderung der Schläuche bei den verschiedenen Klonen sehr individuell. Der Unterschied zu S. flava var. ornata wird durch die tiefrote intensive Zeichnung der Schläuche deutlich.

Sarracenia flava ‘Maxima’
Unter dieser Bezeichnung habe ich schon einige Pflanzen sowie Samen bekommen. Leider konnte ich bis jetzt bezüglich der Schlauchlänge keinen großen Unterschied gegenüber den anderen S. flava-Unterarten feststellen.


Sarracenia purpurea ssp. purpurea f. heterophylla
© 2010 Johannes Betz

Die Kultur
Als Substrat verwende ich Torf mit etwas Quarzsand, Perlite und Vermiculit, das ich zu einer lockeren Mischung verarbeite. Die Pflanzen werden (außer gelegentlich Sämlinge) nicht gedüngt.
Bei Versuchen mit Tongranulat zeigten die Pflanzen einen gedrungeneren Habitus. Auch das Wurzelwachstum war eingeschränkt, doch die vorhandenen Wurzeln waren sehr kräftig. Längere Anstauverfahren wurden allerdings aufgrund des Wurzelwachstums nicht mehr so gut vertragen.

Versuche mit verschiedenen Sand-Torfmischungen (mit saurem bzw. neutralem bis leicht alkalischen Sand) zeigten immer wieder eine Moosbildung auf der Substratoberfläche, was zu einer schlechten Luftführung im Substrat führte. Dies wirkte sich ungünstig auf die Gesunderhaltung des Rhizoms aus.

Es ist mir ein großes Anliegen, durch diese Kulturbedingungen den natürlichen Habitus dieser schönen Pflanzen zu erhalten, um sie standhaft für die Freilandkultur zu machen, wo sie Wind und Wetter ausgesetzt sind.

Sarracenia- Naturhybriden
S. flava x purpurea = S. x Catesbaei W (= winterhart)
S. flava x leucophylla = S. x Mooreana W
S. flava x alata = S. x ? W
S. flava x rubra = S. x Popei W
S. flava x minor = S. x Harperi W
S. flava x psittacina = S. x ?
S. purpurea x leucophylla = S. x Mitchelliana W
S. purpurea x alata = S. x Exornata W
S. purpurea x rubra = S. x Chelsonii W
S. purpurea x minor = S. x Swaniana W
S. purpurea x psittacina = S. x Courtii
S. leucophylla x alata = S. x Aureolata W
S. leucophylla x rubra = S. x Readii (syn. x Farnhamii)
S. leucophylla x minor = S. x Exellens (syn. x Cantabridgiensis)
S. leucophylla x psittacina = S. x Wrigleyana
S. alata x rubra = S. x Ahlesii W
S. alata x psittacina = S. x ?
S. rubra x minor = S. x Rehderi
S. rubra x psittacina = S. x Gilpini
S. minor x psittacina = S. x Formosa

S. purpurea ssp. purpurea x purpurea ssp. venosa = S. purpurea ‘New Jersy Intergrade’ entsteht in New Jersey wo sich beide Unterarten treffen. W

Sarracenia-Kulturhybriden
S. x Diesneriana = S. x Courtii x flava
S. x Evendine = S. x Catesbaei x leucophylla W
S. x Illustrata = S. x Catesbaei x alata W
S. x Lashkei = S. x Courtii S. x Moorei
S. x Marston Hill = S. leucophylla x (f x pr) x f)
S. x Melanorhoda = S. x Catesbaei x purpurea W
S. x Sanderiana = S. x Readii X leucophylla
S. x Swaniana = S. minor x purpurea
S. x Umlauftiana = S. x Courtii x S. x Wrigleyana
S. x Vetteriana = S. x Illustrata x S. x Catesbaei W
S. x Vittata Maculata = S. purpurea x S. x Chelsonoo W
S. x Vogeliana = S. x Courtii x S. x Catesbaei
S. x Willmottae = S. x Catesbaei x purpurea W
S. x Willisii = S. x Courtii x S. x Melanorhoda

S. x Willisii x leucophylla ‘Dark RED Top’

941 S. purpurea ssp. Venosa x S. x Exellens
942 S. (rubra x flava ‘Super Ornata’) x purpurea ssp. purpurea ‘Carbon’ W
943 S. purpurea ssp. Venosa x (rubra x flava ‘Super Ornata’) W
944 S. x Mooreana x purpurea ssp. Venosa ‘Louis Burke’
945 S. x Mooreana x S. x Chelsonii
946 S. x Chelsinii x minor

‘DIXIE LACE’ = (leucophylla x alabamensis ssp. wherry) x (psittacina x ?) 1993 xx
‘COTTON PEACH’ = S. leucophylla x alabamensis ssp. wherry xx
‘LADIES IN WATTING’ = S. leucophylla x (rubra x psittacina) 1985 xx
S. leucophylla x minor x leucophylla
S. flava ‘ALL RED’ x alata ‘ALL RED’ W
S. flava ‘Very Heavy Veined’ x purpurea ssp. venosa ‘Maroon’= S. x Catesbaei ‘Down Under’ W

xx = nicht registrierte Sortennamen
W = winterhart nach eigenen Erfahrungen

 

Orchideen im Garten


Orchis morio
© 2010 Dr. Heinrich Beyrle

Text: Dr. Heinrich Beyrle (www.myorchids.de)

„Die Pflege und Haltung von Orchideen gelten als hohe Schule gärtnerischen Könnens“. So schreibt Otakar Sadovský Mitte des letzten Jahrhunderts in seinem inzwischen als Klassiker geltendem Buch „Orchideen im eigenen Garten“. Aufbauend auf seinen Erkenntnissen hat sich unser Wissen über die Kultur der Erdorchideen seither stetig vermehrt. Heute kennen wir die Ansprüche von vielen heimischen Orchideen und einiger ihrer Verwandten aus Ländern ähnlicher Klimate. Glücklicherweise zeigten sich viele Orchideen durchaus gartenfreundlich. Dazu kommen zahlreiche Hybriden, welche aufgrund ihrer Wüchsigkeit und Blühfreude einen dauerhaften Platz im Garten verdienen. Einige einfach zu pflegende Arten möchte ich hier vorstellen.

Aufgrund ihres Wachstums lassen sich unsere Orchideen in zwei Gruppen gliedern. Die „normalen“ Orchideen wachsen im Sommer und ruhen im Winter. Einige andere Arten haben jedoch den Wachstumsrhythmus umgekehrt und bilden im Herbst Blätter oder eine Blattrosette. Sie überwintern dann als grüne Pflanzen und zeigen ein aktives Wachstum, sofern Kälte und Schnee dies zulassen. Nach der Blüte im Frühjahr oder Frühsommer ziehen sich die Pflanzen für eine Sommerruhe in den Boden zurück. Diese Orchideen sind während Warmzeiten aus dem Mittelmeergebiet in unsere Gegend eingewandert und haben sich später, als das Klima wieder kälter wurde, an die kalten Winter angepasst. Tatsächlich zeigt sich auch in unseren Tagen, wohl aufgrund der industriebedingten globalen Erwärmung, wieder eine Ausbreitung mediterraner Orchideen nach Norden.


Orchis morio
© 2010 Dr. Heinrich Beyrle

Eine einfach zu pflegende wintergrüne Orchidee ist Orchis morio, unser Salep-Knabenkraut. Andere deutsche Namen sind das „Kleine Knabenkraut“ oder das „Gemeine Knabenkraut“. Der Name Salep deutet darauf hin, dass die Knollen der Art früher für medizinische Zwecke gesammelt wurden. Trotzdem war das Salep-Knabenkraut nicht selten, sondern in großen Beständen auf nährstoffarmen, trockenen, aber auch nassen Wiesen zu finden. Seit der Intensivierung der Landwirtschaft sind ungedüngte Wiesen selten geworden und damit auch das Salep-Knabenkraut.

Die große Anpassungsfähigkeit dieser Orchidee zeigt sich auch im Garten. Sofern der Boden nicht zu sauer und nicht zu stark gedüngt ist, erscheint Ende April bis Mitte Mai der niedere, meist nur 10 bis 20 cm hohe Blütenstiel mit zarten, mittelgroßen, violettroten, selten auch rosa oder weißen Blüten. Dabei zeigen die Blüten eine enorme Variabilität in Größe, Färbung, Duft und Blütenzeichnung. Kaum eine Blüte gleicht der anderen.

Orchis morio ist keine Pflanze die gerne für sich alleine lebt. Erst in kleinen Gruppen entfaltet sie ihre ganze Wirkung. Einmal im Garten eingewöhnt, kann sie ihren Besitzer für viele Jahre erfreuen. Besonders wohl fühlt sie sich im Steingarten oder im Blumenbeet in Gesellschaft mit anderen, niederen Pflanzen. Stark wachsende Nachbarpflanzen gefallen ihr dagegen gar nicht.

Eine leichte, gelegentliche Düngung fördert das Wachstum nur, sofern Konkurrenzpflanzen klein gehalten werden. In einigen Jahren wird diese Orchidee auch für die eigene Vermehrung sorgen. Denn die Blüten werden gerne von Hummeln und Bienen besucht und die reifenden Früchte verstreuen Tausende winziger Samen. Keimlinge finden sich dann auch in anderen Ecken des Gartens.

Allerdings gilt: je weniger der Boden gedüngt wird, desto mehr Pflänzchen erscheinen. In gut gedüngten Böden wird man vergeblich auf junge Pflanzen hoffen. Dies hat ihre Ursache in der Symbiose der Orchideen mit gewissen Bodenpilzen. Diese Pilze wachsen vom Boden in die Orchideenwurzeln und versorgen so die Orchideen mit Wasser und Nährstoffen. Das delikate Gleichgewicht zwischen den beiden Partnern, Pilz und Orchidee, wird durch übermäßige mineralische oder organische Dünger, insbesondere Stickstoff, zugunsten des Pilzes verschoben. Erwachsene, starke Pflanzen können zwar weiterhin den Symbionten kontrollieren. Sämlinge oder Samen dagegen können vom Bodenpilz nicht mehr profitieren und gehen zugrunde.


Ophrys fuciflora, die Hummel-Ragwurz
© 2010 Dr. Heinrich Beyrle

Orchideen kreuzen sich in der Natur gelegentlich mit anderen Arten und bilden Hybriden. Da diese Hybriden ihre Elternarten oftmals in Anpassungsfähigkeit und Schönheit übertreffen, haben sie gerade für Garten- und Naturfreunde ihren besonderen Reiz. Ausgesprochen schöne Orchideen ergeben Kreuzungen von Orchis morio mit verwandten Arten aus dem Mittelmeergebiet. Dabei vererbt das Salep-Knabenkraut seine völlige Winterhärte, so dass die Nachkommen auch unseren mitteleuropäischen Winter überstehen. Durch die Kreuzung mit der nahe verwandten westmediterranen Orchis longicornu werden die Blütenstängel höher und farbenfroher. Eine Kreuzung mit dem Schmetterlingsknabenkraut Orchis papilionacea ergibt Orchideen, welche dem südlichen Elternteil sehr ähnlich sehen.


Ophrys insectifera x Ophrys mammosa, eine schöne und winterharte Hybride der Fliegen-Ragwurz
© 2010 Dr. Heinrich Beyrle

Besonders faszinierend sind die wintergrünen Ragwurz der Gattung Ophrys. Die wenigen heimischen Arten wie die Spinnen-Ragwurz Ophrys sphegodes, die Fliegen-Ragwurz Ophrys insectifera, die Hummel-Ragwurz Ophrys holoserica und die Bienen-Ragwurz Ophrys apifera haben eine große Verwandtschaft, mit einem Verbreitungsgebiet von den Kanaren bis in den Iran.

Die heimischen Ragwurz sind in Mitteleuropa auf sommerwarme Gebiete beschränkt, und auch im Garten ist ein geschütztes, warmes Kleinklima besonders wichtig. Die Ragwurz-Kultur erfordert einige Kenntnisse, ist aber nicht schwierig. Als sommerruhende Pflanzen benötigen sie einen nur leicht humosen, mineralischen und wasserdurchlässigen, luftigen, warmen Boden. An solchen Plätzen überdauern ruhende Knollen auch ergiebige Sommerregen unbeschadet, sofern das Wasser ungehindert abfliesen kann.

Frühlings- und Herbstsonne erwärmen den Boden, doch gewarnt sei vor mangelndem Frühlingsregen. Trockenheit führt hier zu einem vorzeitigen Einziehen der Orchideen und zu kleineren, nicht blühenden Pflanzen im nächsten Jahr. Im Garten ist das kein Problem. Der aufmerksame Gärtner wird seinen Garten gießen, doch in der Natur gibt es nicht zuletzt deshalb gute und schlechte Orchideenjahre und die Anzahl blühender Orchideen schwankt in großem Maße.


Dactylorhiza majalis, das im Mai blühende Breitblättrige Knabenkraut
© 2010 Dr. Heinrich Beyrle

Kaum ein Betrachter wird sich beim ersten Anblick einer blühenden Ragwurz ihrem Bann entziehen können. In Form und Farbe gleichen die Blüten gewissen Insekten und genau diese sind die potentiellen Bestäuber. Männliche Insekten verwechseln die Orchideenlippe mit ihren paarungsbereiten Weibchen. Duft und Behaarung der Blüte tun ihr übriges, doch nach einigen fruchtlosen Paarungsversuchen wird sich das Männchen enttäuscht einem anderen Ragwurz-Weibchen zuwenden. Dabei trägt es den Pollen von einer Blüte zur anderen. Jede Ragwurz-Art wird in der Regel von nur genau einer Insektenart befruchtet. Falls die Bestäuber ausbleiben, hilft sich die Bienen-Ragwurz selbst und lässt den Pollen auf die Narbe gleiten. Im Garten sind die sehr spezifischen Insekten kaum zu erwarten und die anderen Ragwurz-Arten werden keinen Samen tragen.

Experimentierfreudige Orchideenliebhaber können die Pollen auf einfache Weise übertragen und so für Nachwuchs sorgen. Ob im darauffolgenden Jahr Sämlinge erscheinen, hängt allerdings vom Nährstoffgehalt und der Zusammensetzung des Bodens ab. Auch hier gilt, Nährstoffarmut begünstigt die Keimung. Da Nährstoffe jedoch für jegliches Pflanzenwachstum essentiell sind, ist die richtige Balance für eine erfolgreiche Aufzucht entscheidend. Wichtig für ein gutes Wachstum von Ragwurz-Arten ist auch eine ausreichende Menge säureausgleichender Basen im Boden. Eine gelegentliche Kalkgabe oder kalkführender Untergrund ist daher günstig.

Die Gattung Ophrys ist evolutionsbiologisch gesehen noch sehr jung. Alle Arten sind untereinander fruchtbar. Neugierige Insekten übertragen schon mal gelegentlich Pollen anderer Arten und Hybriden sind in der Natur nicht selten. Auch Rückkreuzungen sind möglich und Hybridschwärme am natürlichen Standort können oft nur schwer einer bestimmten Art zugeordnet werden. Meistens zeigen sich die Nachkommen intermediär zwischen ihren Elternarten, doch gelegentlich ist ein Elternteil dominant und der zweite Elter nur schwer zu erraten. Für die Züchtung von Gartenorchideen eröffnet sich hier ein riesiges Potential. Besonders bunte und farbenfrohe Orchideen ergeben Kreuzungen der Bienen- und der Hummel-Ragwurz mit mediterranen Arten. Farbkombinationen von Gelb, Blau, Grün und den verschiedensten Rot- und Brauntönen sind in einer Blüte möglich. Zeichnungen und weiße Bänderrungen der Lippe und selbst Spiegeleffekte steigern die Wirkung. Doch auch die Anmut der Fliegen- und der Spinnen-Ragwurz, ohne großes Farbenspiel, mag der wahre Orchideenfreund nicht missen.


Dactylorhiza-foliosa-Hybride mit großen Blüten und prächtigen Farben
© 2010 Dr. Heinrich Beyrle

Bezüglich ihrer Ansprüche sind Ragwurz- und auch die Orchis-Hybriden viel gartenfreundlicher als die reinen Arten und schenken uns im Garten, in kleinen Gruppen gepflanzt, den Flair eines mediterranen Frühlings.

Kommen wir nun zu den sommerwachsenden Orchideen, welche im Frühjahr aus ihrem Winterschlaf erwachen. Am einfachsten zu pflegen sind Orchideenarten aus der Gattung Dactylorhiza, den Fingerwurz-Knabenkräutern.

Die Knospen oberhalb der handförmigen Knollen treiben im Laufe des Monats April die ersten Blätter und die Pflanzen blühen, je nach Art, von Mai bis in den August. Zuhause sind diese Orchideen meist in Feuchtgebieten oder nassen Wiesen. Nur wenige Arten, wie das Fuchs-Knabenkraut (Dactylorhiza fuchsii) bevorzugen etwas trockenere Standorte. Bezüglich der Bodenzusammensetzung ist die Gattung, mit Ausnahme einiger Spezialisten, anspruchslos und kommt mit durchschnittlicher Gartenerde gut zurecht. Bei konstant leicht feuchtem Boden und einem sonnigen bis halbschattigen Standort erscheinen zuverlässig jedes Jahr die hübschen Blütenstiele. Bei Trockenheit sollte jedoch regelmäßig gegossen werden.


Pleione limprichtii, eine frostharte Pleione aus dem Himalaya
© 2010 Dr. Heinrich Beyrle

Dactylorhiza-Hybriden ergeben besonders robuste Gartenorchideen und bilden in wenigen Jahren durch zusätzliche Sprossbildung stattliche Gruppen. Hybriden mit der hochwüchsigen Dactylorhiza elata oder mit der großblütigen Dactylorhiza foliosa ergeben besonders schöne Orchideen. Beide sind als reine Arten nicht völlig winterhart, da Erstere in den höheren Regionen westlicher Mittelmeerländer zuhause ist und Letztere aus den Bergen Madeiras stammt. Kreuzungen mit heimischen Arten überstehen unsere Winter jedoch problemlos.


Cypripedium calceolus im halbschattigen Garten mit Morgensonne
© 2010 Dr. Heinrich Beyrle

Die südasiatische Gattung Pleione bietet für erfahrene Gartenfreunde Blumen, welche in dieser Gestalt sonst nur in tropischen Orchideen zu finden sind. Die Kultur von Pleione ist an sich einfach. Deutlich schwieriger ist jedoch eine langfristige Kultur im Garten.

Pleione limprichtii, die einzige winterharte Art, wächst gerne litophytisch, also auf Steinen oder Felsen in Nischen mit etwas Humusbildung. Eine Kultur ist auch auf Holzstämmen, Ästen oder selbst am Boden möglich. Wichtig ist vor allem viel Luft an den Wurzeln und den Bulben. Eine Kultur in lebendem Moos, also bryophytisch, ergibt in unserem Klima die besten Resultate. Dabei sitzen die Bulben im Moos und die Wurzeln verbreiten sich am Grunde des Mooses und sind so vor Austrocknung gut geschützt. Meine Pflanzen wachsen sehr gut im Bürstenmoos (Polytrichum spec.), welches sich auf einer dünnen Humusschicht von selbst angesiedelt hat. Die dunkelroten bis violetten Blüten erscheinen im April oder Mai noch vor den relativ großen Blättern. Den Sommer über lieben die Pflanzen eher etwas schattigere Plätze. Günstig ist ein Standort mit nur indirekter Sonne. An warmen Sommertagen sollte gewässert und gelegentlich leicht gedüngt werden. Mit den ersten Nachtfrösten welken die Blätter und die Bulben mögen dann bis zur Blüte ziemlich trocken stehen. Verluste im Winter sind fast immer auf Nässe zurückzuführen. Daher ist ein Abdecken sinnvoll, so dass zwar Luft, aber kein Regen die Pflanzen trifft.

Viel einfacher ist die Gartenkultur von Bletilia striata. Auch sie ist von tropischer Abstammung, wie ihre Blüten leicht erahnen lassen. Diese zeigen sich im Mai und Juni an hohen Blütenständen in den Farben rot, hellrosa oder weiß. Die Bulben werden im März oder April gepflanzt. Am besten gedeihen diese Orchideen in guter, lockerer Gartenerde. Je nach Ausgangsmaterial kann etwas Lehm oder Sand beigemischt werden. Der bevorzugte Standort ist sonnig, warm und windgeschützt. Eine Abdeckung des Pflanzbeetes mit Herbstblättern laubabwerfender Bäume lässt diese Orchidee auch in winterkalten Gebieten gut durch die dunkle Jahreszeit kommen.

Die Gattung Epipactis bietet Rhizomorchideen, welche in Europa in verschiedensten Habitaten vorkommen. Wälder, Wiesen, Wegränder, Feuchtgebiete und Trockenrasen sind mögliche Standorte. Die meisten Arten sind Waldorchideen und wegen ihrer speziellen Pilzabhängigkeit kaum für die Kultur geeignet. Die in dauerfeuchten Wiesen und Flachmooren verbreitete Sumpfwurz Epipactis palustris ist jedoch häufiger im Garten anzutreffen. Die recht anspruchslose Art vermehrt sich gut durch zahlreiche Ausläufertriebe und bildet bald kleine Gruppen. Geeignet ist diese Orchidee zur Pflanzung an Teichrändern oder in Gartenmooren. Für ein gutes Gedeihen benötigt sie neutrale oder kalkreiche Böden.

Die nordamerikanische Epipactis gigantea scheint auch in trockeneren und saureren Böden gut zu wachsen. In sandig-humoser Erde vermehrt sie sich sehr schnell durch Ausläuferbildung. Beide Arten blühen im Frühsommer mit exotisch anmutenden Blüten. Epipactis ’Sabine’, die Kreuzung beider Arten, ist völlig anspruchslos und für jeden Naturgarten eine Bereicherung. Ebenso empfehlenswert ist Epipactis ’Renate’ (E. palustris x E. veratrifolia). Aufgrund ihrer starken Wüchsigkeit können die Hybriden schon nach wenigen Jahren geteilt werden.


Cypripedium 'Gisela', ein besonders einfach zu kultivierender Frauenschuh
© 2010 Dr. Heinrich Beyrle

Eine der schönsten Pflanzen für den Garten ist immer noch die Frauenschuh-Orchidee der Gattung Cypripedium. Die schuhförmige Gestalt der Lippe und die Größe der Blüte wecken schnell die Aufmerksamkeit von Pflanzenfreunden.

Cypripedium calceolus, der heimische Frauenschuh, entwickelt im Laufe der Jahre an einem ihm zusagenden Standort einen Stock oder Horst, also ein ausgedehntes Rhizom mit zahlreichen Trieben. Bei ausreichend Licht und Nahrung öffnet sich im Mai an fast jedem dieser Triebe eine süßlich duftende Blüte mit gelber Lippe und kontrastierenden braunen Blütenblättern. Cypripedium calceolus ist jedoch eine recht anspruchsvolle Pflanze und benötigt eine sorgfältige Standortwahl und einen erfahrenen Gärtner.

Viel empfehlenswerter sind die seit einigen Jahren erhältlichen Frauenschuhhybriden. Cypripedium ’Emil’, die Hybride von Cypripedium calceolus mit dem nordamerikanischen, nahen Verwandten Cypripedium parviflorum ist deutlich wüchsiger. Dabei unterscheidet sich die Blüte kaum vom heimischen Frauenschuh. Noch wüchsiger und nicht weniger schön ist Cypripedium ’Gisela’ (Cypripedium parviflorum x macranthos). Diese Hybride hat in den letzten Jahren Zugang zu vielen Gärten gefunden.


Cypripedium 'Ulla Silkens' ist pflegeleicht und hat große Blüten
© 2010 Dr. Heinrich Beyrle

Seit es möglich ist, Frauenschuh-Orchideen in-vitro aus Samen zu vermehren, hat das Angebot und Interesse an diesen Freiland-Orchideen als Gartenpflanzen stark zugenommen. Gerade Frauenschuh-Hybriden werden nun in vielen Kreuzungen mit den verschiedensten Farben und Formen angeboten. Ihnen allen gemeinsam ist ihre Anspruchslosigkeit und Langlebigkeit. Die Grundbedürfnisse der Gattung Cypripedium müssen jedoch erfüllt werden. Bereits vor der Pflanzung sollte der Gartenboden auf eine gute Luft- und Wasserführung geprüft und gegebenenfalls verbessert werden. Für diese Rhizomorchidee darf der Boden niemals völlig austrocknen. Eine leichte Mulchschicht aus feinen Holzhäckseln, Holzfasern oder Rinde wirkt deshalb günstig. Diese sich nur langsam zersetzenden Materialien können auch eingearbeitet werden, um einer Bodenverdichtung vorzubeugen. Doch Vorsicht, viele Frauenschuh-Arten sind Flachwurzler. Ein halbschattiger Standort sagt diesen Pflanzen am besten zu. Cypripedium wachsen auch im Garten gerne in Gesellschaft von Sträuchern oder Bäumen, welche etwas Wind- und Sonnenschutz bieten.

Der Königinfrauenschuh (Cypripedium reginae) wächst gerne etwas feuchter und sonniger im Vergleich zu den meisten Cypripedium-Arten. Diese in Nordamerika in Sümpfen heimische Pflanze hat große, hellrosa bis rote Blüten und blüht erst ab Ende Juni. Wirklich empfehlenswert ist die Kreuzung dieser Art mit dem asiatischen Cypripedium flavum, Cypripedium ’Ulla Silkens’. Ein noch freier Platz im Garten scheint dieser Orchidee gerade recht.

Der Siegeszug der Orchideen in unsere Gärten ist nicht mehr aufzuhalten. Jetzt, da die gärtnerischen Grundlagen der Vermehrung und Züchtung in Kultur gegeben sind, dürfen wir uns auf viele neue, faszinierende Blumen freuen.

 

Sempervivum, unverwüstliche Hauswurz


So wächst Sempervivum montanum in der Natur.
© 2010 Angela Beck

Text: Martin Haberer, Nürtingen

Haben Sie besonders sonnige und trockene Stellen im Garten, wo es keine Pflanze aushält? Dann versuchen Sie es einmal mit den Rosetten der Dach-, Haus- oder Donnerwurz, wissen-schaftlich Sempervivum genannt. Das bedeutet nichts anderes als „immer lebend“!

Und das kann man fast wörtlich nehmen. Besonders nach diesem langen, heißen Sommer 2003 sind viele Gehölze, aber auch Stauden vertrocknet, wenn man sie nicht immer wieder mit Wasser versorgt hat. Nicht so die Hauswurze. Sie haben ohne Mühe diese ungewöhnliche Witterung ertragen und dazu noch herrlich geblüht.

Es gibt also kaum eine winterharte Gartenpflanze, die so unempfindlich gegen Hitze, Trockenheit und auch Kälte ist. Dazu begnügt sie sich mit einem Minimum an Boden und Nährstoffen. Sie schmiegt sich in kleinste Löcher und Felsritzen und fühlt sich dort auch noch sehr wohl.


Sempervivum heuffelli 'Cydonia'
© 2010 Martin Haberer

Die Botaniker zählen die Hauswurz zu den Dickblattgewächsen (Crassulaceae), dazu zählen auch die ebenfalls genügsamen und winterharten Fetthennen-Arten (Sedum).
In der Natur kommt Sempervivum in rund 30 Arten in den Bergen Europas vor, vorwiegend in den Alpen, aber auch den Pyrenäen und im Kaukasus. Da sich die Arten schon in der Natur leicht kreuzen, kennt man inzwischen eine Anzahl von Naturhybriden. Da der Mensch nie zufrieden ist, hat er diese Eigenschaft benutzt und weiter gekreuzt, bis eine fast unübersehbare Vielzahl von Formen entstand. Diese Gartenformen werden als Cultivare oder Sorten bezeichnet.

Historisches
Schon im 9. Jahrhundert n.Chr. verordnete Kaiser Karl der Große, dass man Hauswurz auf die Dächer zu pflanzen habe, damit man vor dem Blitz geschützt sei.
In der Volksmedizin behandelte man Brandwunden und Insektenstiche, ja sogar auch Zahnschmerzen mit dem Saft der gequetschten Hauswurzblätter. Probieren Sie selbst einmal diese schmerzlindernde und kühlende Wirkung aus.

Vegetative Vermehrung
Normalerweise vermehren sich die Hauswurzarten von ganz alleine. Jede Rosette bringt im Laufe des Sommers an kürzeren oder längeren Stolonen zahlreiche Tochterrosetten hervor, die das Polster vergrößern. Trennt man nun eine junge Rosette ab und pflanzt sie in ein Töpfchen, so hat man nach wenigen Monaten eine Pflanze, die alle Eigenschaften der Mutterpflanze aufweist.


Eine kleine Auswahl an Sempervivum-Hybriden
© 2010 Martin Haberer

Die meisten Sempervivumarten machen also Ausläufer, bei Sempervivum globiferum (syn. Jovibarba globifera) sind diese dünn und fadenartig, bei den anderen Semperviven kräftiger. Eine Besonderweit weist Sempervivum heuffelii (syn. Jovibarba heuffelii) auf, die Rosette teilt sich selbst quirlartig und bildet nach vielen Jahren zwei oder mehr neue Rosetten.

Generative Vermehrung
Die Hauptblütezeit der Hauswurze liegt im Sommer, je nach Art und Sorte zwischen Juni und August. Ab Mai beginnen sich einzelne Rosetten in die Höhe zu schieben, die Mittelachse verlängert sich und kann bis zu 40 cm lang werden. Am oberen Ende öffnen sich dann die meist rosafarbenen Blütensterne in einer gabelästigen Trugdolde. Im Laufe der zwei- bis dreiwöchigen Blütezeit verlängern sich die Triebe. Auch Arten mit gelben, weißen und roten Blüten sind bekannt, alle weisen 8-18 Blütenblätter auf. Lediglich die Arten der Sektion Jovibarba tanzen aus der Reihe. Ihre Blüten sind röhrenförmig, gelb oder weiß, sie besitzen lediglich 5-7 Blütenblätter.


Die attraktive Sempervivum-Hybride 'Sunset'
© 2010 Martin Haberer

Viele Insekten sind als Bestäuber bekannt. Fliegen, Wespen, vor allem aber viele Wildbienen und Hummeln werden angelockt, auch Schmetterlinge sind gelegentlich zu sehen.

Nach der Samenreife hat die Mutterrosette ihre Aufgabe erfüllt, sie vertrocknet und stirbt ab. Wenn sie allerdings bis dahin keine Ausläufer gebildet hat, ist diese Pflanze verloren. Immer wieder kommt es vor, dass man auf diese Weise Neuheiten ganz verliert. Man sollte daher beim Kauf darauf achten, dass einige nichtblühende Rosetten im Topf vorhanden sind. Ganz Schlaue erwerben sogar mehrere Exemplare der gleichen Sorte.

Da die Insekten von Blüte zu Blüte fliegen und dabei den Pollen der einen auf die Narbe der anderen Blüten übertragen, entstehen dabei immer wieder zufällige Genkombinationen. Wer den Samen einer Pflanze erntet, weiß immerhin den Namen der Mutterpflanze, doch die Zahl der Väter ist bei einer großen Sammlung immens.

Ernsthafte Züchter möchten allerdings ganz bestimmte Eigenschaften erzielen. Sie sammeln daher den Pollen der ausgewählten Vaterpflanze und bringen diesen mit einem feinen Pinselchen auf die reifen Narben der Mutterpflanze. Dann wird die Mutterpflanze wieder mit feiner Gaze umhüllt und den Insekten der weitere Zutritt verwehrt.

Neue Formen kann man also nur durch Aussaat erzielen. Die Samen sind allerdings so fein, dass man die Saatschale nicht wie üblich mit einer dünnen Erdschicht abdeckten muss.

Im Zimmer keimen die Samen bei genügend Wärme und Feuchtigkeit innerhalb einer Woche, doch bei zu hohen Wassergaben können die empfindlichen Keimlinge rasch faulen.

Besser ist die Aussaat in Töpfen, die man in einen kalten Kasten setzt. Als Pflanzen der Berge kann man die Pflanzen als Kaltkeimer einordnen. Man sät also im Januar-Februar aus und lässt die Töpfe einschneien. Später schwemmt der tauende Schnee die Hemmstoffe der Samen fort und die Keimung beginnt, wenn die Sonne kräftiger scheint.

Später werden die Keimlinge in ein sandiges Anzuchtsubstrat pikiert (vereinzelt), später topft man die schönsten Formen in nährstoffreichere Erde. Oft ist der schönste Lohn dieser Bemühungen, wenn man eine Form erzielt, die noch keinem anderen gelungen ist.


Sempervivum montanum in Kultur
© 2010 Angela Beck

Kultur
Wenn auch unsere Wurze sehr anspruchslos sind, ganz ohne Dünger geht es nicht. Dabei sind die Hybriden immer anspruchsvoller als die Arten, die man aus der Natur kennt. Als Pikiererde verwendet man eine käufliche Anzuchterde, die man mit Sand vermagert.

Der Topferde wird ebenfalls Sand und Splitt oder Eifellava in kleinen Körnungen zugesetzt. Einheitserde oder TKS, aber auch andere Substrate sowie unkrautfreie Komposterde eignen sich gut als Grundlage für eine erfolgreiche Kultur. Wenn man dazu noch etwas Langzeit-dünger in Form von Hornspänen beifügt, kann nichts mehr schief gehen. Später kann man immer noch eine oder mehrere Nachdüngungen mit Flüssigdünger vornehmen, besonders, wenn man die Pflanzen in Töpfen zieht. Manche Gärtner kultivieren Hauswurze ganzjährig im Gewächshaus. Durch eine zusätzliche Düngung mit Stickstoff können einige Sorten dort auch 25 cm groß werden. Kommen diese Pflanzen dann in den Garten, überstehen sie harte Winter nur selten.

Im Steingarten werden die notwendigen Nährstoffe aus dem Boden aufgenommen, die Pflanzen können viele Jahre am gleichen Platz bleiben. Im mageren Substrat bei extensiver Dachbegrünung ist zunächst das Wachstum sehr gut, der Höhepunkt ist nach 2-3 Jahren erreicht. Dann ist eine jährliche Nachdüngung mit Langzeitdüngern unbedingt erforderlich.

Normalerweise reichen die Niederschläge für die Wasserversorgung aus, bei der Sommerhitze im vergangenen Jahr 2003 waren aber auch die Wurze in Gefäßen für eine Wassergabe sehr dankbar.

Verwendung
Ideal für die Dachwurz sind sonnige Plätze im Steingarten, in Mauerritzen und Felsnischen.

Aber auch in Trögen und Schalen, sowie im dauerhaft bepflanzten Balkonkasten fühlen sie sich wohl. Ebenso gut gedeihen sie auf flachgründigen Dachgärten oder sonnigen Böschungen.

Immer muss jedoch für ausreichende Dränage gesorgt werden, denn stauende Nässe vertragen sie nicht. Daher wird der Untergrund aufgelockert und mit Kies oder Feinschotter angereichert. Im Topf verwendet man Gesteinssplitt.

Ebenso vermeide man bei diesen Fettpflanzen, daß sie im Winter mit Streusalz in Berührung kommen. Die saftigen Rosetten werden dadurch vernichtet.

Doch sonst gibt es fast keine Standorte, die man mit diesen Hungerkünstlern nicht besiedeln kann.


Sempervivum arachnoideum x barbulatum ssp. hookeri
© 2010 Martin Haberer

Wichtige Arten und Formen
Es gibt Arten, die nur 0,5 cm klein sind, andere dagegen erreichen mit einer Rosettengröße von über 15 cm Durchmesser beachtliche Dimensionen.

Besonders attraktiv sind die weißbehaarten Rosetten der Spinnwebhauswurz (Sempervivum arachnoideum). Die Rosettenblätter bilden hier auffällig lange Haare, welche an ein Spinnennetz erinnern und die Rosette zusätzlich vor Verdunstung schützen. Besonders schön weiß sind die Unterarten S. arachnoideum ssp. tomentosum und Sorten wie ´Clärchen´, ´Rheinkiesel´, ´Traudel´, ´Webbianum´ und ´Weißkugel´.

Sempervivum x barbulatum ´Hookeri´ ist eine Naturhybride und hat besonders kleine, rötliche Rosettchen, ebenso S. arachnoideum ´Minor´. Alle blühen kräftig rot im Juni-Juli. Weiße Blüten haben dagegen Sempervivum arachnoideum ´Albion´ und ´Baby Boo´. Allerdings blühen diese oft so üppig, daß keine Kindel zur Nachzucht übrig bleiben.

Mit die größten Rosetten haben die Formen der eigentlichen Dachwurz (Sempervivum tectorum). Sie weisen alle rosafarbene Blüten und meist grüne Rosetten auf.


Sempervivum ciliosum
© 2010 Martin Haberer

Sempervivum grandiflorum und Sempervivum wulfenii aus den Westalpen fallen durch ihre gelben Blüten auf, die Rosetten sind grün. Vom Balkan stammen die dicht bewimperten Rosetten der Sempervivum ciliosum, sie blühen reingelb im Juni.


Die Seealpen-Hauswurz, Sempervium calcareum
© 2010 Martin Haberer

Mehrfarbig sind die Rosetten der Seealpen-Hauswurz (Sempervivum calcareum). Ihre Spitzen sind meist braunrot, die Blätter ansonsten blaugrün. Nur selten kann man die hellrosa-farbenen Blüten bewundern.


Sempervivum marmoreum vom Balkan
© 2010 Martin Haberer

Besonders attraktiv sind die mehrfarbigen, grünroten Rosetten von Sempervivum marmoreum vom Balkan.

Durch Einkreuzungen mit dieser Art sind viele unserer heutigen Sempervivum-Hybriden entstanden, die eine unglaubliche Farben- und Formenvielfalt aufweisen. Besonders schön sind die Sorten mit den roten Rosetten wie ´Fuego´, ´Max Frei´, ´Othello´, ´Polaris´, ´Red Delta´, ´Rubikon Improved´ und ´Teide´. Grüne Rosetten mit roten Spitzen findet man bei ´Sunset´, violette Rosetten bei ´Plum Rose´, graue dagegen bei ´Grey Ghost´.

Jährlich kommen neue Sorten hinzu.


Sempervivum 'Corona MH'
© 2010 Martin Haberer

Sempervivum globiferum (syn. Jovibarba globifera), Jupiterbart, fällt durch kugelige Rosetten und fadenförmige Stolonen auf, an welchen sich die Jungpflanzen entwickeln.

Bei der geringsten Berührung fallen diese ab und verbreiten sich. Sie bilden daher in kurzer Zeit dichte Polster. Die gelben, röhrenförmigen Blüten erscheinen im Juli.

Sempervivum heuffelii (syn. Jovibarba heuffelii), Jadesteinwurz, ist noch wenig bekannt. Sie stammt vom Balkan, ist meist blaugrün und hat ebenfalls Röhrenblüten (weiß oder seltener gelb).

Sie bildet allerdings keine Ausläufer, sondern teilt sich im Laufe der Jahre. Dadurch dauert es lange, bis man einen größeren Tuff beisammen hat. In den letzten Jahren sind allerdings auch hier unglaublich viele Züchtungen entstanden, die viel farbenprächtiger als die Arten vom Naturstandort sind.

Besonders schöne Züchtungen sind ´Mystique´, ´Aiolos´, (beide hellbraunrot); ´Halo´, grün mit leuchtend roten Spitzen; ´Jade´, blaugrün; ´Bora´, dunkelbraunrot.

Die Sternwurz (Orostachys spinosus) aus der Mongolei hat sternförmige, graue Rosetten und bildet im Juli einen dichten Blütenstand mit hellgelben Röhrenblüten aus.


Semperviven gedeihen überall.
© 2010 Angela Beck

Sempervivum-Fachgruppe
Beginnen Sie zunächst mit einigen wenigen Formen, wenn Sie sich eine Sammlung anlegen wollen. Dabei kann es vorkommen, daß Sie identische Typen unter verschiedenen Namen erhalten. Meist sind sogar die Pflanzen namenlos. Lassen Sie sich aber dadurch nicht entmutigen. Gerade diese Probleme hat auch die „Gesellschaft der Staudenfreunde“ erkannt und vor einigen Jahren eine eigene Fachgruppe Sempervivum gebildet, die in den nächsten Jahren versuchen wird, diese Schwierigkeiten zu lösen. Nähere Informationen zur Fachgruppe Sempervivium finden Sie HIER
Jedes Jahr (meist Anfang Mai) wird ein Treffen veranstaltet, meist im Garten eines Mitgliedes oder in der Nähe einer Landesgartenschau. Dieses Treffen bietet Führungen, Vorträge, aber auch die Möglichkeit, neue Sorten von anderen Mitgliedern zu erhalten.

Vierteljährlich erscheint die „Semperpost“, eine Zeitschrift mit vielen Farbbildern, basierend auf privater Initiative.

Internet
Wer weitere Informationen erhalten möchte, der besuche doch folgende Webseiten:
www.sempervivum.info
www.semper-vivum.de
www.semperhorst.de
www.martinhaberer.de
www.sempervivumgarten.de

Für den Liebhaber dieser anspruchslosen Rosettenpflanzen bedeutet der Beginn einer kleinen Sammlung das Eindringen in eine zauberhafte Welt der Formen und Farben. Wer einmal mit dem Sammeln begonnen hat, kann kaum mehr damit aufhören.


Für Nachwuchs ist gesorgt.
© 2010 Angela Beck

 

Gentiana verna ssp. verna - ein Frühlings-Enzian


Gentiana verna
© 2010 Hugo Herkner

Text: Dr. Hugo Herkner, München


Gentiana verna
© 2010 Hugo Herkner

Neben den verschiedenen, großblütigen Enzianen versuchen sich Liebhaber gerne auch mit den kleinwüchsigen Arten der Frühlingsenziane. Der bekannteste von ihnen ist wohl Gentiana verna ssp.verna. Eine Gruppe in voller Blüte bietet mit ihrem ansprechenden Blau ein eindrucksvolles Bild. Es gibt aber auch Varianten mit himmelblauer, violetter, weißer oder gar gelber Infloreszenz. Als weitere Angehörige von Gentiana verna sind Gentiana verna var. angulosa, G. verna var.brachyphylla, G. verna var. favratii, G. verna ssp. pontica, G. verna var. pupila sowie G. verna var. tergestina im Gespräch. Vor Änderungen in der Nomenklatur sind wir bei dieser Vielzahl von Unterarten nicht gefeit.

Leider sind alle Arten nicht gerade einfach zu kultivieren. Auch ich musste einige Zeit experimentieren, ehe sich der gewünschte Effekt bei Gentiana verna - ein Polster mit vielen Blüten - einstellte.

Standort
Der beste Platz ist in einem Steintrog mit viel Sonne. Die Blattrosetten brauchen jedoch den Streuschatten mehrerer Grashalme, die in der freien Natur über ihnen liegen. Bei einer Ansiedlung im Steingarten gehen die kleinen Blattrosetten meist verloren. Eine Notlösung ist die Pflanzung in einem Blumentopf aus Ton, der an der vorgesehenen Stelle im Alpinum versenkt wird, wobei der obere Rand als Markierung gerade noch sichtbar aus dem Boden herausragt.


Gentiana verna
© 2010 Hugo Herkner

Pflanzsubstrat
Wenn unserem Frühlingsenzian auch Kalkfreundlichkeit nachgesagt wird, so wächst er dennoch besser in kalkarmen Substrat. Ich nehme gerne Urgesteinsmaterial (Sand + feiner Splitt), das ich 1:1 mit normale, käuflicher Einheitserde vermische. Am liebsten verwende ich als organische Komponente Humus „Marke Eigenbau“, da ich dessen Zusammensetzung weitgehend kenne. Bewährt hat sich auch eine Quarzsand/Quarzkies (Durchmesser 2-4 mm)-Erde-Mischung im Verhältnis 1:1. Ebenfalls käufliche Aussaaterde ist der Einheitserde vorzuziehen. Torf anstelle der Erde ist nicht so empfehlenswert. Bims scheint dagegen ein brauchbares Substrat abzugeben. Kalkarme Rasenerde, ein bevorzugter Standort in der Natur, ist wegen ihrer lehmigen Beschaffenheit und Dichte wenig erprobt, bei entsprechender Auflockerung mit Quarzsand oder Perlite aber einen Versuch wert.

Zur besseren Bodendurchlüftung können der Substratmischung auch Perlite, Lava, Blähtonkügelchen oder Seramis nach Gutdünken hinzugefügt werden. Die Gefahr der Bodenverdichtung ist dadurch ebenfalls gemindert. Sehr wichtig ist nach meinen Beobachtungen eine Abdeckung der Substratoberfläche mit kalkarmen Splitt oder Quarzkies (Steinchengröße 3-5 mm), besonders um die Pflanzen herum. Sie hemmt die schnelle Austrocknung der Substratoberfläche und den Unkrautwuchs.


Gentiana verna
© 2010 Hugo Herkner

Pflanzung
Das A und O einer erfolgreichen Kultur ist die Gruppenpflanzung. Ein einzelner Frühlingsenzian stirbt eher ab als dass er weiterwächst. Als Ausgangspunkt für eine schnelle, gute Gruppenbildung sollten fünf bis zehn Pflanzen auf Tuchfühlung gesetzt werden.

Vermehrung
Sie erfolgt einmal durch Teilung großer Polster nach der Blüte oder durch Samen im Spätsommer (Aug./Sept.) entsprechend dem natürlichen Ablauf. Spätere Aussaaten keimen meist erst im Frühjahr übernächsten Jahres. Ein Teil der Samen wird neuerdings an erfolgversprechenden Stellen im Freiland ausgebracht. Auch im Rasen werde ich mein Glück versuchen. Die zuweilen propagierte mehrwöchige Wärmeperiode mit starker Wässerung zur Samenquellung und Aufhebung der Keimhemmung sowie anschließender Kältephase habe ich noch nicht ausprobiert. Die Stecklingsvermehrung ist mehr oder weniger eine Sache für den Spezialisten. Für das Ansetzen der Samen nehme ich persönlich gerne Plastiktöpfe mit wenigstens 8 cm Durchmesser und eine der oben angeführten Substratmischungen. Auf den Topfboden kommt eine gut 1 cm hohe Drainageschicht aus Blähtonkügelchen, Quarzkies, Granit- oder Basaltsplitt (Durchmesser ca. 5 mm).

Die Samenkörner gebe ich in Häufchen auf die Erdmischung, um gleich von Anfang an eine Gruppenbildung ohne verlustreiches Umtopfen zu erzielen, und decke mit Quarzkies (Korngröße ca. 2,5 mm, Schichtdicke 4-5 mm) ab. Bis zum Keimen der Samen im Frühjahr stelle ich den Container in einen Untersetzer, der immer ca. 1 cm hoch mit Wasser gefüllt sein sollte. Da Gentiana verna ein sogenannter Frost- bzw. Kaltkeimer ist, steht das Ganze den Winter über im Freien. Starker Frost bei fehlender Schneedecke sollte aber nicht einwirken. Normalerweise genügt für die Keimung eine Temperatur um 0 °C. Nach dem Erscheinen der Jungpflanzen im Frühjahr wird der Topf aus dem Wasserbad genommen und nur noch vorsichtig von oben gewässert (gesprüht).


Gentiana verna mit Viola
© 2010 Angela Beck

Düngung
Um die Blütenentwicklung anzuregen, werden die erwachsenen Enziangruppen gleich nach dem Schwinden des Schnees mit einem flüssigen Volldünger nach Gebrauchsanweisung gegossen. Zeigen sich die ersten Blütenknospen, wird die Düngung wiederholt. Als Notbehelf für die Flüssigdüngung kann Nitrophoska oder Thomas-Kali (1 Korn pro 2 Rosetten) zu den gleichen Zeitpunkten verwendet werden. Nach dem Verblühen wird für eine erfolgreiche Samenbildung und zum Wiedererstarken der Pflanzen ein drittes und letztes Mal gedüngt.

Schädigungen
Blattläuse sitzen gerne an den Blütenstängeln erwachsener Pflanzen. Wurzelläuse besiedeln den Übergang von Wurzel zu Stängel, sitzen also unter der Erdoberfläche. Sämlinge werden von hungrigen Kellerasseln oder Schnecken abgeweidet. Bekämpfungsmittel sind auf Grund ihrer Vielzahl und artspezifischen Wirkung im Fachhandel zu erfragen. Blattverfärbungen können einen Mangel bestimmter Nährstoffe anzeigen. Bei Topfkultur ist oft eine ungenügende Durchlüftung des Substrates durch Verdichtung des Bodens die Ursache.

Welke Blätter ohne Blattlausbefall deuten zum einen auf eine ungenügende Wasseraufnahme durch die Wurzeln hin. Die Ursache kann neben Wurzelläusen und einer Substratverdichtung eine Versalzung des Bodengrundes durch Überdüngung sein. Hier ist mehrmaliges, gründliches Gießen mit reinem Wasser angezeigt, um die überschüssigen Düngestoffe auszuschwemmen.

Bei Verfärbungen oder Welkerscheinungen der Blätter ohne erkennbare Ursache ist ein sofortiges Umtopfen in neues, frisches Substrat zu versuchen. Meist haben diese Krankheitssymptome ihren Ursprung in nicht ersichtlichen Stoffwechselstörungen durch überaltertes, ausgelaugtes Substrat. Bei Topfkultur ist ein Austausch ohnehin spätestens alle zwei bis drei Jahre angezeigt.

Moos oder gar Lebermoos sind arge Wachstumshemmer. Sie haben, wie auch andere Gewächse, in nächster Nähe unseres Frühlingsenzians nichts zu suchen.

Diese Kulturhinweise sollen Sie nun nicht beflügeln, den ohnehin geschützten Gentiana verna aus der Natur zu entnehmen. Diese Pflanzen sind ohnedies bedeutend schwieriger zu kultivieren als Gartenformen aus Spezialgärtnereien


Gentiana verna var. oschtenica
© 2010 Josef Buchner